Kurz & Gut

Mehrfachkombinationen bei nicht-transplantationsfähigen MM-Patienten

 

Bis 2019 waren (Bortezomib/Melphalan/Prednison) VMP und (Lenalidomid/Dexamethason) Rd die Standardbehandlung für Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom (MM), die für eine autologe Stammzelltransplantation nicht geeignet sind.[1] In Studien hatten sich 3-fach- versus 2-fach-Kombinationen als überlegen erwiesen. Beispielsweise zeigten Bortezomib/Cyclophosphamid/ Dexamethason höhere Ansprechraten gegenüber Bortezomib/Dexamethason.[2] Basierend auf den Studiendaten von Durie BGM et al. Lancet. 2017; 389(10068):519-27 erfolgte im April 2019 seitens der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung von (Bortezomib/Lenalidomid/Dexamethason) VRd für neu diagnostizierte nicht-transplantationsfähige MM-Patienten:[1,3] VRd hatte in der Erstlinientherapie im Vergleich zu Rd das progressionsfreie Überleben (PFS; (mPFS: 41 vs. 29 Monate; p= 0,003) als auch das Gesamtüberleben (OS; mOS nicht erreicht vs. 69 Monate; p = 0,0114) verlängert.[3]

 

Analog zur Gruppe der transplantationsfähigen Patienten[4] – rückten auch bei den nicht-transplantationsfähigen Patienten die 4-fach-Kombination in den Fokus der Erstlinientherapie. Mit der Zugabe des monoklonalen Antikörpers Daratumumab zu dem Schemata VMP wurde ein neuer Therapiestandard für diese Patientengruppe geschaffen – zugelassen von der EMA im Oktober 2019. Grundlage für die Zulassung bildete die multizentrische, offene, weltweite Phase-III-Studie ALCYONE[1,5]. Die ALCYONE-Studie hatte 706 Patienten mit einem neu diagnostizierten Multiplen Myelom eingeschlossen, die aufgrund von Begleiterkrankungen oder ihres Alters keine autologe Stammzelltransplantation erhalten konnten. Die Studie kombinierte VMP – ein in Europa häufig eingesetztes Schema – mit Daratumumab (D-VMP) und verglich die 4-fach-Kombinationen mit der 3-fach-Kombination VMP. Die Patienten erhielten entweder 9 Zyklen D-VMP, danach folgte eine Daratumumab-Erhaltungstherapie (n = 350) oder 9 Zyklen VMP (n=356). Der monoklonale Antikörper Daratumumab bindet an den von den MM-Zellen hoch exprimierten Oberflächenrezeptor CD38, was schließlich unter Beteiligung des körpereigenen Immunsystems zur Vernichtung der Tumorzellen führt. Bereits in der primären Analyse der ALCYONE-Studie zeigte sich ein signifikant längeres PFS (primärer Endpunkt) in der D-VMP-Gruppe. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten wurde ein mPFS von 36,4 Monaten für den D-VMP-Arm vs. 19,3 Monaten für den VMP-Arm berichtet. Nach 36 Monaten lag das geschätzte OS bei 78% im D-VMP-Arm und bei 68% in der VMP-Gruppe (HR 0,60; p = 0,0003). Neue Sicherheitsbedenken traten nicht auf.[1,5]

 

Erwähnenswert sind auch die Ergebnisse der MAIA-Studie. Die Phase-III-Studie nahm 737 nicht-transplantationsfähige Patienten mit neu diagnostizierte MM auf, die entweder auf Daratumumab-Rd oder Rd bis zum Fortschreiten der Krankheit randomisiert wurden. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten lag das geschätzte PFS nach 30 Monaten bei 70,6 % in der D-Rd-Gruppe und 55,6 % in der Rd-Gruppe (HR 0,56; p < 0,001). Die 3-fach-Kombinationstherapie D-Rd wurde von der EMA ebenfalls im Oktober 2019 zugelassen.[6]

Ein Blick auf die aktuellen Leitlinien der European Hematology Association (EHA) und European Society for Medical Oncology (ESMO) zeigt, dass für nicht-transplantationsfähige MM-Patienten drei neue Standards der Versorgung empfohlen werden, darunter neben VRd und D-Rd auch D-VPM, [I, A],[1]

 

Szenenwechsel: Die Perspektive der Ärzte und ihrer Patienten

 

Mit einer jährlichen Inzidenz in Deutschland von rund 6.000 zählt das MM zu den häufigsten Tumoren von Knochen und Knochenmark. Ein Großteil der Patienten erkrankt im höheren Lebensalter, mit circa 70 Jahren. Wie reagieren Patienten, die aufgrund ihres Alters und/oder Komorbiditäten keine autologe Stammzelltransplantation erhalten können, wenn sie hören, dass die empfohlene Therapie aus einer 3- oder 4-fach-Kombination bestehen sollte, die zudem mit häufigen Arzt-Besuchen einhergeht? Und welche Implikationen hat das Therapieschema für die Praxis? Henning Pelz, Offenburg, und Olav Heringer, Wiesbaden, schildern in „Quergedacht“, ihre Erfahrungen.