Warum sind nicht mehr Ärzte bei der ASV an Bord?
Die eigentliche Idee klang richtig gut: Patienten mit komplexen, schwer therapierbaren Krankheiten sollen besser, sektorenübergreifend versorgt werden – und zwar in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV). (Details zur ASV beschreibt der Artikel von Henning Pelz in „Patient und Praxis“). Das Besondere daran: Vertragsärzte und Klinikärzte arbeiten ambulant zusammen in ASV-Teams, spezialisiert und in ganz Deutschland zu gleichen Bedingungen. Die Abrechnung erfolgt direkt mit den Kostenträgern – ohne Mengenbegrenzung, extrabudgetär und zu festen Preisen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind lediglich als Abrechnungsdienstleister mit dabei. Dennoch gab es im Frühjahr 2020 bundesweit lediglich ungefähr 360 ASV-Teams – eine Zahl, die signalisiert, dass die Umsetzung noch zögerlich läuft. Hinzu kommt: Zwar scheinen Patienten von der ASV zu profitieren, dennoch könnten bürokratische Hürden bei grundsätzlich Interessierten der Teilnahme im Wege stehen. Als Beispiel sei hier genannt, dass in jedem ASV-Team von allen Fachgruppen mindestens ein Arzt benötigt wird – und zwar auch dann, wenn diese Leistung zur Patientenversorgung nicht eingesetzt wird. Das könnte die Gründung eines ASV-Teams vor allem im ländlichen Raum zur Herausforderung machen. Zudem sind die Anschaffungskosten für Abrechnungssoftware oder Personal immer gleich, unabhängig von der tatsächlich versorgten Patientenzahl. Etlichen Ärzten ist zudem nicht klar, wie die Abrechnung bereinigt wird.
Jetzt geht eine Arbeitsgruppe im Versorgungsforschungsprojekt GOAL-ASV („Generelle, alle ASV-IndikatiOnen übergreifende EvALuation und Weiterentwicklung der ASV-Richtlinie“) – eine empirische multiperspektivische Mixed-Methods-Studie – weiter auf Ursachenforschung und untersucht dabei, wer warum bei der ASV nicht mitmacht.
Analysiert werden soll die Perspektive von vier Gruppen:
- Ärzte und Kliniken, die an der ASV teilnehmen
- Kliniken und Ärzte, die das nicht tun
- Kliniken mit einer Berechtigung nach Paragraf 116b alt zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus
- Patienten
Zum Einsatz kommen dabei qualitative Interviews mit ASV-Teamleitern. Es werden quantitative Analysen auf Basis der Befragung von Ärzten, Kliniken und Patienten durchgeführt. Dazu kommen Expertenworkshops und die Analyse von GKV-Routinedaten aus der deutschen pharmakoepidemiologischen Forschungsdatenbank GePaRD. GOAL-ASV läuft seit 1. Januar 2020 und soll bis 31. Dezember 2021 weitergeführt werden.
Aktuell können sich noch niedergelassene Ärzte an der Online-Umfrage beteiligen, angesprochen sind alle, die – obwohl sie es könnten – bei der ASV nicht mitmachen. Insgesamt hoffen die Wissenschaftler auf 200 niedergelassene Teilnehmer. Der Fragebogen erfasst, was die Teilnehmer über die ASV wissen und wie Chancen sowie Hindernisse bewertet werden. Er erhebt die zu erwartenden Auswirkungen auf die Patientenversorgung und welche Gründe der Teilnahme entgegenstehen. Außerdem wird erfasst, wie Ärzte außerhalb der ASV vernetzt sind.
Bei den Zielen der Umfrage geht es nicht nur darum, Gründe für die zögerliche ASV-Umsetzung zu identifizieren und zu beurteilen, wie die ASV-Richtlinie für die einzelnen Indikationen umgesetzt wird, sondern es sollen in einem zweiten Schritt auch Handlungsempfehlungen entwickelt werden – beispielsweise Vorschläge zur Vereinfachung des Anzeigeverfahrens und der Vergütungsbereinigung.
Was den Status quo betrifft, wurden bereits die Interviews mit Patientenvertretern und ASV-Teamleitern durchgeführt – die Analyse der Daten läuft. Der Pre-Test des Patienten-Fragebogens ist ebenfalls in Arbeit. Der Fragebogen vergleicht die Aussagen von Patienten, die von einem ASV-Team betreut werden, mit denjenigen, die im Rahmen der Regelversorgung behandelt werden. Dazu erfolgt die Befragung von Kliniken und erweiterten Landesausschüssen.
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