Wie es in der
Praxis richtig
läuft und
wie nicht…

…so wird es hier gemacht

 

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) – synonym mit §116b-neu – wurde Ende 2014 vom Gesetzgeber neu aufgelegt. Der „Aufschlag“ erfolgte mit der sogenannten Tumorgruppe 1: gastrointestinale Tumore. Es musste ein Kernteam – bestehend aus stationären und ambulanten Leistungserbringern – gegründet werden, ein Kooperationsvertrag aller handelnden Personen und Institutionen geschlossen, eine Teamleitung ernannt sowie gemeinsame Diagnose-, Behandlungs- und Nachsorge-Standards vereinbart werden. Patienten konnten nur dann in die ASV aufgenommen werden, wenn ihre Behandlung eine „multimodale“ oder „Kombinations-Chemotherapie“ erforderte. Zudem waren regelmäßige gemeinsame Tumorboards sämtlicher in die ASV involvierten Mitglieder obligat.

 

Seit über fünfzehn Jahren leben wir – inzwischen als Ambulantes Therapiezentrum für Hämatologie & Onkologie – und weiterhin selbstständig in Form einer Gemeinschafts- und Schwerpunktpraxis eine enge Kooperation mit sämtlichen in die Tumorbehandlung involvierten Stellen in unserer Umgebung inklusive dem Schwerpunktkrankenhaus vor Ort. Hierbei stellen wir selbst die ambulante onkologische Therapie im Landkreis sicher.

 

Für diese innovative Verzahnung ambulanter und stationärer Therapiekonzepte sowie die sektorübergreifende Kooperation wurde unsere Praxis 2014 von der Landesregierung Baden-Württemberg und der L-Bank mit dem „Landespreis für junge Unternehmen“ ausgezeichnet.

 

Mit diesem Rückenwind bewarben wir uns Ende 2014 beim erweiterten Landesausschuss um die Teilnahme an der ASV und wurden als deutschlandweit erste onkologische Praxis für die ASV zugelassen. Inzwischen behandeln wir im Rahmen der ASV neben Patienten mit gastroenterologischen Tumoren (Tumorgruppe 1) auch Patienten mit Brustkrebs/gynäkologischen Tumoren (TG 2) sowie Lungenkrebs (TG 5).

 

Sicherlich war der Start – insbesondere das Einholen sämtlicher erforderlicher Unterlagen – aufwändig. Wir waren die Ersten und mussten Pionierarbeit leisten – auch die zuständigen Gremien konnten nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Die Ausweitung auf Tumorgruppe 2 und Tumorgruppe 5 hingegen war dann recht einfach zu erreichen.

 

Eine weitere Hürde stellte initial die Abrechnung dar, die separat von der üblichen GKV-Abrechnung erfolgt. Die Honorierung ist jedoch – und das ist im niedergelassenen Bereich nicht unerheblich – ungedeckelt und unbudgetiert! Nachdem die Abrechnung zunächst durch einen privaten Dienstleister erfolgte (was eine große Herausforderung war!), nutzen wir inzwischen die professionelle Abwicklung durch die Kassenärztliche Vereinigung, was jetzt auch recht reibungsarm möglich ist.

 

Die größten Vorteile für die Teilnahme an der ASV sind sicherlich die intensivere Kooperation und Abstimmung sämtlicher aktiver Stellen im Rahmen einer – insbesondere multimodalen und sektorenübergreifenden – Tumorbehandlung. Zwar haben wir diese Zusammenarbeit bereits vor der ASV intensiv betrieben – durch die Rahmenbedingungen der ASV konnten wir hier jedoch sicherlich noch innovativer werden. So hat sich u. a. der Anteil unserer Patienten, die wir ihm Rahmen von klinischen Studien mit multimodaler Therapie behandeln, deutlich gesteigert. Dieser Mehraufwand spiegelt sich schließlich dann auch in der ASV-Honorierung durch die Kostenträger wider.

 

Aber – nichts ist so beständig wie der Wandel:

Laufend ändern sich Ein- und Ausschlusskriterien für die Aufnahme von Patienten in die ASV. Hier bedarf es kontinuierlicher Aufmerksamkeit bezüglich möglicher Änderungen/Anpassungen/Neuerungen der gesetzlichen Vorgaben, die wir uns eigenständig erschließen müssen. Da diese Änderungen häufig auch interpretierbar sind, führt dies nicht selten zu ausführlichen Diskussionen im gesamten ASV-Team.

Und natürlich lassen auch die Kostenträger keine Gelegenheit aus, Abrechnungen zur überprüfen – so wird z. B. gerne die Dokumentation über die tatsächliche Behandlungsdauer zur Abrechnung der tagesklinischen Ziffern hinterfragt….

 

Zusammenfassend sind wir jedoch sehr froh, 2014 in das „kalte Wasser“ ASV gesprungen zu sein. Es braucht ein motiviertes Team, das auch bereit ist, neue und innovative Wege zu gehen. Es braucht den Willen Aller zur Kooperation – gerade sektorenübergreifend. Als Pioniere erlebten wir zu Beginn noch gewisse Gestaltungsfreiheit – bei jedoch auch viel Arbeit im „Neuland“. Heute freuen wir uns über die noch intensivere und konstruktivere Kooperation auch mit den stationären Leistungserbringern zum Wohle der sich uns anvertrauenden Patienten.

 

Autor
Dr. med. Henning Pelz, Onkologie Offenburg – Ambulantes Therapiezentrum für Hämatologie & Onkologie

 

…und darum wird es hier nicht gemacht

Viel Verwaltung für etwas mehr extrabudgetäre Vergütung?

 

Auch wir in unserem onkologischen MVZ überlegen seit längerem, eine Teilnahme an der ASV einzureichen. Viele Treffen und Diskussionen wurden mit den Kooperationspartnern absolviert. Und es wurde von allen mit sehr viel Geduld bereits viel Zeit investiert. Letztendlich ohne eine Gründung zu konkretisieren. Warum? Die zentrale Frage, die über allem kreist: Wer profitiert in diesem System hauptsächlich? Der Patient? Die Klinik? Der niedergelassene Kooperationspartner? Und was bin ich/die onkologische Praxis/MVZ bereit – wenn ich nicht selbst der Profiteur wäre – zugunsten der Kolleginnen an Zeit und Geld für den Unterhalt eines ASV-Teams zu investieren? Und: Wer macht die Arbeit? Also auf den Punkt gebracht: Wer bekommt den ungeliebten, weil zeitintensiven Job der Teamleitung aufgebrummt?

Gerechterweise wäre es der Teilnehmer des ASV-Teams, der nach Einschätzung des Teams am stärksten von der ASV-Implementierung profitiert. Begeisterung war von keinem/keiner leitenden Kollegin zu spüren, die Kandidatin der Leitung des prospektiv zu gründenden ASV-Teams geworden wäre.

 

Zurück zu dem in meinem Umfeld vorliegenden Status quo. Denn Veränderungen sind ja vor allem dann gewünscht, wenn es Begrenzungen im Hier und Jetzt gibt, die aus egoistischer Sicht überwunden werden sollen. Wir sind seit vielen Jahren Kooperationspartner in onkologischen Zentren, für die auch eine Gründung eines ASV-Teams möglich wäre: ein Darm-, Brust- und Lungenzentrum. Für unsere onkologische Praxis besteht eine reguläre fachärztliche Abrechnungsmöglichkeit mit Facharztsitz über die KV. Klar: Irgendwann ist man an der Grenze des fachärztlich abrechenbaren Leistungsvolumens angekommen, die Steigerungsmöglichkeiten darüber hinaus sind wenig attraktiv. Aber ehrlich gesagt: Irgendwann ist man mit seinem beruflichen Arbeitseinsatz ebenfalls an einer vernünftigen Grenze angekommen. Außerbudgetäre Abrechnungsmöglichkeiten für weitere PatientInnen durch Teilnahme in einem ASV-Team ist also eine prinzipielle Verlockung, realistisch, aber eventuell auch der Verlust des letzten Rests von privater Glückseligkeit in den heimischen vier Wänden.

 

Das alles mag unter anderen Grundvoraussetzungen anders aussehen. Wenn z. B. die Abrechnungsmöglichkeiten auf einem Facharztsitz erschöpft sind und weitere Arbeitskapazität vorhanden ist. Wenn ein Teilnehmer in der Klinik keine Alt-Abrechnungsmöglichkeit/Ermächtigung besitzt und keinen KV-Sitz beantragen kann (Kosten, fehlende regionale Verfügbarkeit) oder will. Oder wenn nicht in bereits bestehenden Organzentren eine ausgeprägte interdisziplinäre Zusammenarbeit besteht und diese durch die Gründung eines ASV-Teams vereinfacht wird. Insbesondere in ländlicheren Gebieten erscheint dieses Szenario attraktiv.

 

Für uns in unserem MVZ trifft – bis auf die Attraktivität extrabudgetärer Abrechnung (...und dann ist da noch diese nebulöse „Bereinigung“…) – keins der stimulierenden Argumente zur Gründung eines ASV wirklich zu. Unsere PatientInnen sind interdisziplinär bestens in den Organzentren inklusive gelebter Tumorboards versorgt. Papierarbeit haben wir alle mit Krankenkassen, KV, Zertifizierungsorganisationen, Behörden genug, auch ohne neue Teamgründungen anzustreben. Und auch keiner der Kooperationspartner würde sich zugunsten von offensichtlich als zu gering eingestuften Mehreinnahmen aktuell den Hut einer Leitung eines ASV-Teams aufsetzen wollen, ich schon gar nicht! Und so bleibt es bei den immer wieder einmal aufflackernden Diskussionsrunden nach Qualitätszirkeln, ob wir nicht doch vielleicht...

 

Autor
Arne Müßig, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie am MVZ Havelhöhe, Berlin

 

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