Ambulante
spezialfachärztliche
Versorgung –
Runde 2

ASV in der Praxis – „AllesSuperVerstanden und doch „AktuelleStartSchwierigkeiten“?

 

Nach dem ersten onkoTALK im Mai war allen Beteiligten schnell klar: Der große Erfolg der Veranstaltung ruft nach Fortsetzung. Hinzu kamen die vielen noch ungeklärten Fragen. Aus diesem Grund ging die virtuelle Veranstaltung in die zweite Runde. Das Motto diesmal: „AllesSuperVerstanden und doch AktuelleStartSchwierigkeiten“.

 

Es war wieder ein Dienstagabend, an dem sich niedergelassene Onkolog*innen und ein Gesundheitsökonom zu einem lockeren Video-Talk verabredeten. Während sich in der ersten Runde die Diskussion auf Aspekte wie persönliche „ASV-Erfahrungen“ und das Thema „ASV im Zusammenhang mit Dezentralisierung und Ambulantisierung“ konzentrierte, ging es in der zweiten Runde darum, die ASV – vor allem auch mit allen Contras – kritisch zu beleuchten.    

 

Als Haupt-Diskutanten erneut an Bord waren Professor Dr. Andreas Beivers, Gesundheitsökonom an der Hochschule Fresenius München und assoziierter Wissenschaftler am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung sowie Dr. Henning Pelz, Onkologe aus Offenburg, mit einem ambulanten Therapiezentrum (ATZ) für Hämatologie & Onkologie. Als dritter im Bunde kam Olav Heringer aus Wiesbaden neu dazu. Heringer ist Onkologe in der Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und internistische Onkologie im Fachärztezentrum Medicum und steht der ASV eher kritisch gegenüber – während sein Kollege Henning Pelz auf eine lange sehr positive ASV-Erfahrung zurückblickt. Neben den drei Haupt-Diskutanten hatten sich 12 weitere Teilnehmer*innen zugeschaltet.

 

„Außer Spesen nichts gewesen“

 

Bereits zu Beginn des onkoTALK zeichnete die Vorstellungsrunde ein buntes Portfolio an Pros und Contras. Eine Urologin mit onkologischem Interessensschwerpunkt aus dem ASV-Team von Olav Heringer teilt seine Skepsis: „Außer Spesen nichts gewesen“. Ganz anders die Erfahrungen eines niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, der über eine gute Zusammenarbeit mit der örtlichen Klinik berichtet. Inwieweit sich die ASV für Arzt und Patient lohnen könne – diese Frage beschäftigt einen Kollegen aus einer Ermächtigungsambulanz Gastroenterologie. Eine Ärztin aus Leipzig kennt die ASV sowohl aus der niedergelassenen als auch aus der Klinik-Perspektive. „Für die Klink war die Ambulanz eine gute Möglichkeit. Derzeit macht die Praxis bei der ASV mit, dies wird aber nicht als optimale Lösung angesehen, um onkologische Patienten zu versorgen“. Eine Kollegin von Henning Pelz, die mit ihm gemeinsam im ASV-Pionierteam war, teilt seine positive Einschätzung. Dass seine Praxis bereits früh mit GI-Tumoren an der ASV beteiligt war und inzwischen auch mit urologischen malignen Tumoren dabei sei – berichtet ein Arzt aus einer onkologische Schwerpunktpraxis mit Viszeral-Onkologie. Ihn interessiere hier vor allem der Austausch und das Optimierungspotenzial.  

 

„Das Problem, das ich in Hessen sehe, ist, dass die Paragraf-116b-Ambulanzen flächendeckend verteilt wurden“, steigt Olav Heringer in die Diskussion ein und erklärt weiter, „alle Tumoren, die operativ versorgt werden, werden innerhalb der Klinik mit eigener Ambulanz innerhalb der ASV verarbeitet und wir sehen die Patienten erst zur Nachsorge.“ Seine Kritik: „Die ASV hat uns noch keinen einzigen Patienten in die Praxis gebracht. In der direkten Konkurrenz mit einer Krankenhaus-Ambulanz sehen wir keinen Vorteil der ASV.“

 

„Wir sind froh, dass wir die ASV haben“

 

So wie die ASV derzeit aufgesetzt sei, könne sie sich lokal sehr unterschiedlich auswirken, gibt Henning Pelz zu bedenken. Seine Praxis habe diesbezüglich Glück gehabt. Die Kliniken konnten in 116b aus dem ambulanten onkologischen Topf heraus alle onkologischen Entitäten versorgen. Es hieß, dass in der ASV, Praxen und Kliniken mit gleich langen Lanzen antreten – allerdings, räumt Pelz ein, könne sich dies heute wohl nicht gänzlich bestätigen. Bestehende Kontakte und Kooperationen hätten sehr geholfen, sich auf gemeinsame ASV-Kooperationen zu einigen. Er betont: „Die außerbudgetäre und ungedeckelte Budgetierung im Rahmen der ASV war ein großer Faktor. In der ASV wurde versprochen, dass 100% bezahlt werden, und so ist es bis heute auch. Die Abrechnung mit der Krankenversicherung ist mitunter komplex. Wir sind sehr froh, dass wir die ASV haben. Wir nehmen grundsätzlich an den Tumorkonferenzen teil, was ein Riesenvorteil für die Patienten ist, die teilweise überrascht sind, dass wir schon komplett Bescheid wissen, wenn sie zu uns kommen.“

 

Verteilungsfragen sollten nicht als Bremsklotz fungieren

 

Andreas Beivers schwenkt mit seiner Argumentation zunächst auf die Grundidee der ASV:  Der Sinn des Ganzen war, dass man die stationäre wie auch ambulante Versorgung der Patienten verbessern wollte. Nun höre er, dass man in Verteilungsfragen feststecke – das könne nicht das Ziel sein, aber die Strukturen seien lokal sehr unterschiedlich. Dann geht Beivers in die Lösungsoffensive: „Es wird darauf ankommen, das Zusammenspiel besser zu gestalten. Wie könnten neue Vergütungsmodi aussehen? Budgets müssen leistungsgerecht verteilt werden. Sektorenübergreifend aufzuzeigen, wer sich woran beteiligt ist wichtig, um Budgets richtig zu verteilen. Es sind viele Themen offen und wir müssen sehen, wie wir eine gerechte Verteilung finden und die regionale Komponente abbilden können.

Bei den Teilnehmer*innen finden die unterschiedlichen Aspekte der Einstiegsvorträge Anklang. Einer berichtet, dass in seinem ASV-Team die Teilleitung bei der Klinik liege. Seiner Erfahrung nach laufe es sehr gut, er sehe keine Probleme – dennoch: „Fallpauschalen und festgelegte Budgetierung verschieben das Problem der Verteilung in die Gruppe. Wie verteilt man nun den sektoralen Topf? Dasselbe Problem sehe ich bei der ASV“. Eine weitere Meinung unterstützt die Contra-Perspektive: „Was haben wir vom ASV im Unterschied zum 116b? Das ist in der Tat ein undankbares Konstrukt“.

 

Zentralisierung in der Stadt vs. Dezentralisierung auf dem Land

 

Mit der Frage „Wir sind mehrere Anbieter für dieselbe Sache – wie kann dies laufen?“ richtet sich ein weiterer Teilnehmer direkt an Andreas Beivers. Der Ökonom erläutert dazu, dass es zwei gegenläufige Trends gebe: Der Hang zur Zentralisierung und die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren durch wenige große Player sei politisch gewünscht und gewollt, funktioniere aber nur in städtischen Räumen. In ländlichen Regionen sei dies gegenläufig. Da spräche man sich für kleinere dezentrale MVZ aus, wo ambulante Praxen zu primären Leistungserbringern würden. 

Laut Henning Pelz sind die regionalen Unterschiede groß. Im ländlichen Raum würde die Zentralisierung nicht funktionieren. Er verstehe, dass die Kostenträger ihre Kosten überschaubar halten sollten, aber als Arzt müsse man seine Patienten versorgen.

Für Andreas Beivers steht fest: „Regionalität muss bedeuten, wir schauen uns regionale Kosten und regionale Strukturen an und machen dann regionale Budgets.“

 

Fazit

 

Als finalen Gedanken regt Henning Pelz an, dass Honorierung per Leistung erfolgen müsse und nicht via gedeckeltes Budget. Olav Heringer betont: „Regionale Unterschiede lassen sich nicht wegdiskutieren.“ Er wünscht sich, dass Qualitätskriterien, die an Praxen gefordert werden, auch im Krankenhaus nachgewiesen werden müssen, sodass Gleichheit der Voraussetzungen herrscht. Andreas Beivers baut mit seinen Schlussworten eine Brücke. So solle die ASV – unter den von Henning Pelz und Olav Heringer genannten Voraussetzungen – die Regel werden.