Ambulante Spezial­fachärztliche
Versorgung –
Runde 1

Ambulante spezialfachärztliche Versorgung – Runde 1

 

ASV im Kontext von Dezentralisierung und Ambulantisierung

Als in einer Redaktionskonferenz des onkoTICKER das Thema der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (AVS) zur Sprache kam, gab es kein Halten mehr. Die Folge war eine intensive Diskussion mit konstruktivem Nachklang: Die Idee nach einem Austausch in größerer Runde war geboren – und damit die Initialzündung für den onkoTALK zur ASV. 

An einem Dienstagabend im Mai trafen sich niedergelassene Onkologen und ein Gesundheitsökonom zu einer lockeren Video-Gesprächsrunde. Der rege Austausch fokussierte auf persönliche „ASV-Erfahrungen“, beziehungsweise die noch offene Frage „Sind wir dabei oder lassen wir das lieber?“ sowie zur „ASV im Zusammenhang mit Dezentralisierung und Ambulantisierung“. Neben den beiden Haupt-Diskutanten Professor Dr. Andreas Beivers, Gesundheitsökonom an der Hochschule Fresenius München und assoziierter Wissenschaftler am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, und Dr. Henning Pelz, Onkologe aus Offenburg, mit einem ambulanten Therapiezentrum (ATZ) für Hämatologie & Onkologie, hatten sich 15 weitere Teilnehmer zugeschaltet. Henning Pelz blickt auf eine lange ASV-Erfahrung zurück. Sein Therapiezentrum war das erste onkologische ASV-Team seit 2015. Hinzu kommt ein innovatives Konzept als Grundlage für den „Landespreis für Junge Unternehmen“ 2014. Seitdem wird die Kooperation mit der ASV in den Tumorgruppen GI/Mamma-Gyn/Lunge weiter ausgebaut.

„Vertrauensvolle Zusammenarbeit“ und „Vergütung“

Die beiden ASV-Knackpunkte „vertrauensvolle Zusammenarbeit der Leistungserbringer“ und „Vergütung“ wurden von Henning Pelz und Andreas Beivers gleich zu Beginn in den Ring geworfen: „Für die ASV ist es entscheidend, dass stationäre und ambulante Leistungser- bringer eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Der Vorteil für die Patienten ist deutlich. Sie bekommen eine Versorgung aus einer Hand. Das bildet einen großen Vertrauens-vorsprung bei den Patienten“, erläuterte der Onkologe. Während der Ökonom anregte, die Vergütung neu zu denken, und ergänzte, dass „wir parallel eine Zentralisierung der Versorgung haben“. Dies könne nur mit einer qualifizierten und organisieren Nachsorge im ländlichen Raum ermöglicht werden. 

Die Teilnehmer diskutierten anschließend über die Frage: „Haben wir eine Wahl?“. Für Beivers stand fest, dass „wir um die Frage der qualitätsorientierten Versorgung nicht herumkommen“. Zudem müsse der Fokus auf Qualitätsverträge durch die Krankenkassen gelegt werden. Dass die Digitalisierung zunehme, kann als Schubkraft nach vorne wirken. Und ganz wichtig in Sachen Zukunft sei das Stichwort „Patientensteuerung und Lenkung“.

Pelz verwies auf die Entwicklung bis heute: Vor 25 Jahren gab es kaum ambulante onkologische Versorgung. Heute sei das anders, es gebe sie nicht nur in den Ballungs- räumen, sondern auch auf dem Land. Die Patienten profitierten dort von komplexen, multimodalen Therapien, und zwar seit vielen Jahren. Allerdings habe sich der Fortschritt in der Politik noch nicht zurückgespiegelt.

Enttäuschende Erfahrungen aus Hessen

Desillusioniert zeigte sich dagegen Olav Heringer aus Wiesbaden. In Hessen wurde § 116b in ASV umgewandelt und aus diesem Grund ist das Einzige, was Heringer von der ASV bemerkt, das Budget. So werde das Budget um die ASV bereinigt, ohne dass sich die Arztpraxis wirklich an der ASV beteiligen könne. Sein ernüchterndes Fazit: „Unsere Euphorie hat sich im Laufe der Zeit gelegt“.

Lohnt sich der Aufwand?

Ein Teilnehmer berichtete, dass er an der FOM – Hochschule für Berufstätige in einem Innovationsfond-Projekt die ASV Umsetzung diskutiert. „Es zeigte sich, dass der Verwaltungsaufwand des Anzeigenverfahrens auf Niedergelassene abschreckend wirkt. Denn Vergütung und Abrechnung sind nicht in allen Bereichen gut abgedeckt. Dazu kommt, dass diese beiden Aspekte auch von den erweiterten Landesausschüssen sehr unterschiedlich behandelt werden“.

Mit der Frage, ob sich der Aufwand für eine Praxis überhaupt lohne, bringt ein weiterer Teilnehmer einen Schlüsselfaktor auf den Punkt. Das Problem sei die regionale Heterogenität. Das Dilemma: Für eine Praxis, die gute, etablierte Strukturen in der Zusammenarbeit mit der Klinik entwickelt hat, ist der strukturelle Vorteil eher gering. Heißt das, dass man als Niedergelassener die Steuerung übernimmt oder sollte man dies der Klinik überlassen? Laut den Erfahrungen von Henning Pelz sollte die Praxis als Teamleitung den Hut in der Hand halten. „Außerdem hat diese Strategie den Vorteil, dass Veränderungen viel schneller umgesetzt und die Strukturen im Blick behalten werden. Wer bei der Zusammenarbeit den ersten Schritt geht, hängt von regionalen Gegebenheiten ab. Ganz wichtig aber ist es, diesen ersten Schritt überhaupt zu gehen.“   

Beivers informiert, dass das Thema Regionalität auch in der DRG diskutiert wird, die Maxime dabei sei one size fits all. „Ich glaube Gesundheitsversorgung muss regional erfolgen, mit bundesweiten Vorgaben und regionalen Anpassungen. Jede Region wird ihre eigene Lösung finden müssen.“

Fazit und Ausblick

Am Ende des onkoTALKs resümierten die beiden Hauptdiskutanten die wichtigsten Diskussionspunkte. Für Beivers steht fest, dass die Onkologie in Sachen ASV sehr weit sei und die Art und Weise der Organisation eine hochkarätige Versorgung auch im ländlichen Raum ermögliche. Pelz legte jedem nahe, der das Gefühl habe, er könne und müsse mit den Kliniken im Umfeld mehr zusammenarbeiten, die ASV als Sprungbrett dafür zu nutzen. „Das ist für beide Seiten sehr positiv, so empfinden wir es. Es ist kein reines Honorarthema. Es ist großartig, eng cross-funktional zusammenzuarbeiten. Das macht Spaß und bietet viele Vorteile, vor allem auch für die Patienten.“