Aufwändige Digitalisierung eines Kernprozesses
Erste Testläufe in Berlin und Brandenburg
Die technischen Voraussetzungen für das E-Rezept sind hoch: Arztpraxen und Apotheken müssen mit neuester Hard- und Software ausgestattet sein, und Patienten benötigen ein Smartphone sowie eine NFC-fähige elektronische Versichertenkarte, um das Rezept vom eigenen Handy auf den Apotheker zu übertragen. Ob und wie gut der technische Ablauf schon funktioniert, wird derzeit in der Fokusregion Berlin-Brandenburg getestet. Bis zum Ende des Jahres beteiligen sich 120 Apotheken, 50 Arztpraxen sowie gesetzlich versicherte Patienten am Pilotprojekt. Ab dem 1. Oktober sollen Ärzte auch bundesweit auf freiwilliger Ebene E-Rezepte ausstellen können. Die Erfahrungen der Testphase fließen in den bundesweiten Roll-out zum Jahresende ein.
Technische Ausstattung der Apotheken fast abgeschlossen
Während Patienten noch eine Übergangsfrist zur Umgewöhnung und zur Aufrüstung ihrer Technik haben – das E-Rezept können sie sich auch in der Praxis ausdrucken lassen – dürfen Apotheken und Arztpraxen keine Zeit verlieren. Denn zum 1. Januar 2022 wird das elektronische Rezept für alle Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für gesetzlich Versicherte verpflichtend. Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) sind die Apotheken schon jetzt bestens vorbereitet: Mehr als 90 Prozent der Apotheken vor Ort seien mit den notwendigen Komponenten der Telematik-Infrastruktur (TI) ausgestattet, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung.
TI Update umgeht aufwändige Einzelsignatur
Arztpraxen müssen bereits seit dem 30.06.2019 an die TI angebunden sein, deshalb sind die meisten für das E-Rezept notwendigen Komponenten in den Praxen bereits vorhanden. Allerdings ist der Konnektor nicht mehr auf dem neuesten Stand. Für ihn gibt es voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 ein sinnvolles Update: Der neue ePA-Konnektor PTV4+ ermöglicht die so genannte Komfortsignatur, mit der mittels elektronischem Heilberufsausweis (eHBA) und nur einer PIN-Eingabe innerhalb von 24 Stunden bis zu 250 Signaturen freigeben werden können. Das erleichtert die vorgeschriebene qualifizierte elektronische Signatur (QES) von E-Rezepten erheblich.
Bei eHBA und Software-Updates hakt es noch
Für die QES benötigen Ärzte einen eHBA der Generation 2.0 oder höher. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) kann sich dessen Ausgabe bei den Landesärztekammern jedoch verzögern. Auch bei den Updates für Praxisverwaltungssysteme hakt es, denn die Hersteller sind unterschiedlich weit mit der Umsetzung der technischen Vorgaben der Gematik. Gematik-Chef Markus Leyck Dieken prognostizierte Anfang Juli in einem Interview mit der der Pharmazeutischen Zeitung (PZ) , dass das E-Rezept-Modellprojekt voraussichtlich erst im Spätsommer Fahrt aufnehmen werde: „Bis zum heutigen Tag wurde ein Arzt-Software-Hersteller zugelassen. Bis Ende Juli sollten es dann schon eine Handvoll von Anbietern sein. Mit großem Bedauern sehen wir aber, dass viele Softwarehäuser den Starttermin, also den 1. Januar, als Liefertermin betrachten“.
Systeme zusammenführen für mehr Effizienz
Die Verzögerungen bei der Bereitstellung der nötigen Technik für das E-Rezept zeigen, wie komplex die Digitalisierung dieses Prozesses ist. In einem Interview mit dem RBB bringt es die Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins Anke Rüdinger auf den Punkt: „Wir digitalisieren hier einen Kernprozess des deutschen Gesundheitswesens, an dem sehr, sehr viele beteiligt sind – Arztpraxen, Patienten, Apotheken, Rechenzentren und die Krankenkassen. Dabei treffen viele verschiedene Softwaresysteme aufeinander.“
Ist dieser Prozess einmal abgeschlossen, wird das E-Rezept in Arztpraxen vieles einfacher machen. Die Zettelwirtschaft hat ein Ende, das Rezept wird rein elektronisch erstellt, signiert, an den Patienten übergeben und verschlüsselt abgelegt. Das E-Rezept macht Praxen außerdem zukunftsfähig. Mit einer digitalen Rezeptübermittlung sind Ärzte bestens für neue Versorgungsformen wie Videosprechstunden gerüstet.
Wechselwirkungen von Medikamenten im Blick
Ein wichtiger Vorteil des E-Rezepts für Patienten ist die verbesserte Sicherheit in der Arzneimitteltherapie. Denn der Medikationsplan gibt Ärzten und Apothekern die Möglichkeit, alle eingenommenen Arzneimittel hinsichtlich Neben- und Wechselwirkungen zu überprüfen. Auf Basis der Medikationsdaten können Funktionalitäten wie Erinnerungsfunktionen zudem die Therapietreue verbessern, indem sie Patienten an die rechtzeitige Einnahme eines Arzneimittels oder die rechtzeitige Nachbestellung eines neuen E-Rezeptes erinnern. Zum E-Rezept gibt es ein großes Informationsangebot im Netz. Die umfassendsten Inhalte finden sich auf den Webseiten der KBV, der Gematik und des BMG