KURZ & GUT

„Gute Medizinische Fachangestellte zu finden, ist mittlerweile wie ein Sechser im Lotto“

 

„Umso heftiger schmerzt es jede Praxis, wenn eine MFA auf eine Stelle in der Klinik oder in der Verwaltung wechselt, die ihr netto wesentlich mehr in die Lohntüte bringt, als der stressige, hektische Job in der Arztpraxis – gerade jetzt in Corona-Zeiten.“ So zu lesen in der Ärzte Zeitung am 12. Januar 2022.[1]

 

Hintergrund des Artikels war eine Protestaktion von Medizinischen Fachangestellten in Berlin. Ihre Forderung: Dass sie genauso wie die Pflegekräfte in den Krankenhäusern einen Corona-Sonderbonus aus staatlichen Mitteln erhalten. Hinzu kam der Wunsch nach einer baldigen Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen in den Arztpraxen sowie mehr Wertschätzung.[2]

 

Beide Artikel reihen sich in eine Situation ein, die viele Arztpraxen aktuell im Zuge der Corona-Pandemie erfahren: Mitarbeiter kündigen, da sie sich umorientieren oder auf eine besser bezahlte Stelle wechseln. Das betrifft nicht nur MFA – die größte Berufsgruppe in der ambulanten Versorgung in Deutschland – sondern auch das in Arztpraxen angestellte Krankenpflegepersonal.

 

Das Redaktionsteam des onkoTICKER hat sich jetzt mit der Fragestellung auseinandergesetzt, aus welcher Motivation heraus MFA und Pflegekräfte ihren Beruf ursprünglich wählten, wo die Herausforderungen in der alltäglichen Arbeit liegen und welche Lösungsstrategien sich anbieten. Hierzu wurden vier Studien [3,4,5,6,7,8,9] herangezogen, die die Arbeitszufriedenheit von MFA und Pflegekräften untersuchten – eine davon beleuchtete, wie es den MFA im Kontext der Pandemie ergangen ist. Bisher publizierte Arbeiten zum Pflegepersonal beziehen sich primär auf die Situation von Krankenpflegekräften in größeren Einrichtungen wie Krankenhaus oder Altenheim. Die Ergebnisse lassen sich in vielen Bereichen auch auf die Arbeit in einem ambulanten Setting übertragen. Beispielsweise, wenn es um die Gründe für die Berufswahl geht.

 

Seit 2015 forscht eine Arbeitsgruppe des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf zu den psychosozialen Arbeitsbedingungen der MFA.[3,4] Erhoben wurden die Daten auf Basis eines auf längeren Einzelgesprächen basierenden Fragebogens – in die Auswertung flossen 900 Fragebögen ein.

 

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Die Arbeitsgruppe interessierte auch, wie es MFA im Kontext von Covid-19 ergangen ist.

 

Sie befragte in einer weiteren Studie online 2.150 MFA – davon 98,0 % weiblich, mittleres Alter: 37,6 Jahre – wie gut sich die MFA auf den Umgang mit Corona-Patienten vorbereitet fühlten und wie es ihnen während der Pandemie ergangen ist. Da die Studie im April 2020 durchgeführt wurde, bildet sie die Situation zu Beginn der Pandemie ab.[5,6]

 

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Die Forschungsansätze zum Krankenpflegepersonal zeichnen ein analoges Bild zur Situation der MFA. Zwei Studien zu (Kranken)-Pflegekräften bieten einen vertiefenden Einblick in die Arbeitssituation dieser Berufsgruppe: eine von der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein initiierte und vom Forschungsnetzwerk Gesundheit der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen umgesetzte Studie sowie eine aufschlussreiche Arbeit der Fachhochschule Münster.[7,8,9]

 

 

In der Ludwigshafener Studie haben ungefähr 2.500 Personen bei der Online-Befragung zur Arbeitszufriedenheit und zum Berufsverbleib von Pflegefachpersonen mitgemacht –1.893 Datensätze konnten ausgewertet werden. Die Teilnehmenden waren durchschnittlich 45 Jahre alt, verfügten im Mittel über 23 Jahre Berufserfahrung, Frauen bildeten mit 77 % den Großteil der Befragten ab. Was die Berufsqualifikation betrifft, durchliefen 71,7 % der Teilnehmenden ihre Ausbildung im Bereich der Krankenpflege, 8,1 % in der Kinderkrankenpflege und 20,3 % in der Altenpflege.[7]

 

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Die Studie der Fachhochschule Münster befragte mehr als 3.000 Pflegekräfte – davon konkret 3.145 Pflegende aus dem Krankenhausbereich sowie 740 Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflege. Interessant an dieser Studie ist, dass auch nachgefragt wurde, warum sich die Teilnehmenden für den Beruf entschieden haben.[8,9]

 

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Thema: Angemessenes Einkommen

 

Es fällt auf, dass in den vorliegenden Daten für einen Großteil der Befragten das Thema „Verbesserung des Einkommens“ weit oben auf der Liste der Verbesserungsoptionen stand. Zwar gibt es Arbeiten, die andeuten, dass sich eine Lohnerhörung nicht langfristig auf die Mitarbeitermotivation auswirkt. Dieser Ansatz scheint nicht umfassend genug. Denn die Befragten MFA und Pflegekräfte machten deutlich, dass sie mit ihrem Einkommen nicht als angemessen empfinden – eine Aussage, die eine subjektiv empfundene Ungerechtigkeit markiert. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die Daten der Längsschnittstudie der Hochschule Ravensburg-Weingarten, die untersuchte, welchen Einfluss die subjektiv wahrgenommene Einkommensgerechtigkeit auf das Risiko einer stressassoziierten Erkrankung hat. Auf Datenbasis des Sozio-oekonomischen Panels analysierte die Arbeitsgruppe Daten von 5.657 Erwerbstätigen über den Zeitraum von acht Jahren (2005–2013). Vor allem für Frauen ist das Risiko einer Stresserkrankung deutlich erhöht, wenn über 5 Jahre das Gefühl eines als ungerecht wahrgenommenen Einkommens vorlag (OR 1,64; 95% KI 1,17–2,30). Vollzeitbeschäftigte Frauen stellen dabei eine besonders betroffene Gruppe dar (OR 2,43; 95% KI 1,54–3,84).[10]