ADT und kardiovaskuläre Mortalität
Für Patienten, deren Prostatakrebs (PCa) mit einer Strahlentherapie (RT) behandelt wird, liegen widersprüchliche Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen zusätzlicher Androgendeprivationstherapie (ADT) und kardiovaskulärer Mortalität (CVM) vor – das gilt vor allem für Patienten mit vorbestehenden Komorbiditäten oder kardiovaskulären Krankheiten. Santino S. Butler et al. (Boston, USA) analysierten jetzt die Daten von 1.463 PCa-Patienten aus dem großen prospektiven, randomisierten, nationalen, „Prostate, Lung, Colon, and Ovarian (PLCO) Cancer Screening Trial“.
Summary
Santino S. Butler et al. schlossen in ihre Auswertung 1.463 Männer ein, bei denen im Rahmen der PLCO Studie zwischen 1993 und 2001 ein lokalisiertes PCa mit mittlerem/hohem Risiko identifiziert wurde. Alle Patienten hatten entweder eine alleinige RT oder eine RT plus ADT erhalten. Der primäre Endpunkt umfasste die CVM, definiert als Tod bedingt durch kardiale Ursachen, Schlaganfall oder andere vaskulären Ursachen. Tabelle 1 zeigt die kumulative 5-Jahres-CVM-Inzidenz sowie die bereinigte Hazard Ratio (aHR) der Patienten, die entweder mit RT plus ADT oder mit alleiniger RT behandelt wurden.
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Kumulative 5-Jahres-CVM-Inzidenz, % (95 % KI) |
aHR |
p-Wert |
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ADT plus RT |
RT alleine |
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Gesamte Studienkohorte |
2,3 (1,3-3,7) |
3,3 (1,9-5,5) |
0,69 (0,38-1,24) |
p=0,21 |
Subgruppen gemäß Anzahl vorbestehender Komorbiditäten |
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0 |
1,3 (0,4-3,1) |
0,5 (0,1-2,8) |
0,36 (0,11-1,24) |
p=0,11 |
≥1 |
3,2 (1,7-5,6) |
5,3 (2,0-8,8) |
0,83 (0,43-1,60) |
p=0,58 |
≥2 |
6,9 (3,2-12,6) |
8,3 (3,6-15,5) |
0,95 (0,40-1,65) |
p=0,63 |
Subgruppen gemäß vorbestehender CVD |
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CVD |
3,6 (2,1-5,9) |
4,3 (2,3-7,3) |
0,85 (0,44-1,65) |
p=0,63 |
keine CVD |
0,4 (<0,1-2,1) |
1,5 (0,3-5,1) |
0,18 (0,03-1,00) |
p=0,05 |
Tabelle 1: Analyse der gesamten Studienkohorte plus Subgruppenanalyse von Patienten mit Komorbiditäten in Bezug auf die kumulative CVM-Inzidenz und aHR nach 5 Jahren, bezogen auf das Therapieschema (RT alleine vs. RT plus ADT). |
Die Ergebnisse blieben auch dann bestehen, wenn jede CVM-Komponente – kardiale Ereignisse, Schlaganfall – oder eine andere vaskuläre Mortalität einzeln analysiert wurde (p > 0,05).
Details
Rationale & Fragestellung
PCa-Patienten mit erhöhtem Risiko erhalten in der Regel eine RT und standardmäßig eine zusätzliche ADT. Allerdings sind die bisherigen Studienergebnisse widersprüchlich, die die Fragestellung beleuchteten, wie sicher eine ADT in diesem Setting insbesondere für Patienten mit vorbestehenden kardialen Komorbiditäten ist: So war die ADT in etlichen Arbeiten mit einem erhöhten Risiko für verschiedene kardiovaskuläre Endpunkte assoziiert, darunter Diabetes, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke und kardiovaskulärer Tod. 1,2,3,4 Dagegen kamen andere Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen und fanden keinen Zusammenhang zwischen ADT und kardialem Mortalitäts-Risiko.5 Santino S. Butler et al. (Boston, USA) analysierten jetzt das CVM-Risiko von PCa-Patienten über die Behandlungsgruppe (RT alleine oder RT plus ADT) und den Komorbidität-Status hinweg. Basis für die Auswertung waren prospektiv erfasste Daten aus der PLCO Studie.
Methodik
In die Auswertung aufgenommen wurden insgesamt 1.463 Männer, bei denen zwischen 1993 und 2001 ein lokalisiertes PCa mit mittlerem/hohem Risiko (T2b-T4, Gleason-Score 7-10 oder PSA-Wert >10 ng/ml)+ diagnostiziert wurde und die im Rahmen der PLCO-Studie entweder eine alleinige RT oder eine RT plus ADT erhielten. In der statistischen Analyse wurden aHRs für die Prostatakrebs-spezifische Sterblichkeit vs. Mortalität aus jeglicher Ursache – einschließlich des primären Endpunkts der CVM (Tod bedingt durch kardiale Ursachen, Schlaganfall oder andere vaskulären Ursachen) unter Verwendung regressionsanalytischer Verfahren des konkurrierenden Risikos bestimmt und nach Komorbidität in der Vorgeschichte stratifiziert.
Ergebnisse
Ausgangscharakteristika
In der medianen Nachbeobachtungszeit von 66 Monaten (Interquartilsbereich 31-103 Monate) wurden 565 Patienten (38,6 %) mit einer alleinigen RT behandelt und 898 (61,4 %) bekamen zusätzlich zur RT eine ADT (RT plus ADT). Das mediane Alter der gesamten Studienkohorte betrug 65 Jahre (Range 55-74 Jahre). Insgesamt wiesen 773 Patienten (52,8 %) ≥1 vorbestehende Komorbiditäten auf, 251 (17,2 %) ≥2. Bei 880 (60,2 %) waren in der Vorgeschichte kardiovaskuläre Erkrankungen aufgetreten oder entsprechende Risikofaktoren bekannt. Bei 1.013 (69,2 %) lag ein PCa mit einem mittleren Risiko vor und bei 450 (30,8%) Patienten wurde ein Hochrisiko-PCa diagnostiziert.
Kardiovaskuläre Mortalität in Bezug auf ADT
Tabelle 2 zeigt die Todesursachen der Patienten, stratifiziert nach dem jeweiligen Therapieschema (RT vs. RT plus ADT).
Todesfälle |
aufgeschlüsselt nach Therapieschema |
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Gesamt |
RT alleine |
RT plus ADT |
04 (13,9%) |
88 |
116 |
aufgeschlüsselt nach |
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PCa-spezifische Mortalität (PCSM) |
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47 (3,2 %) |
17 |
30 |
Kardiovaskuläre Mortalität |
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58 (4,0 %) |
27 |
31 |
Andere Todesursache (OCM) |
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99 (6,8 %) |
44 |
61 |
Tabelle 2: Todesfälle gemäß Ursache, stratifiziert nach Therapieschema. |
In der gesamten Patientenkohorte war ADT plus RT im Vergleich zur alleinigen RT nicht mit einem unterschiedlichen 5-Jahres-CVM-Risiko assoziiert (2,3 % vs. 3,3 %; aHR 0,69; 95 % KI 0,38-1,24; p = 0,21). Das gilt auch für die individuellen Analysen hinsichtlich der Endpunkte Tod bedingt durch kardiale Ursachen (aHR 0,79; p = 0,54), Schlaganfall (aHR, 0,74; p = 0,69) oder andere vaskulären Ursachen (aHR 0,51; p = 0,26).
CVM bei Patienten mit Komorbiditäten
Für die Patienten mit vorbestehender Komorbidität ergaben sich keine signifikanten CVM-Unterschiede, hinsichtlich des Therapieschemas. So lag die kumulative CVM-Inzidenz nach 5 Jahren bei 3,2 % mit RT plus ADT und bei 5,3 % mit RT alleine (aHR 0,83; 95% KI 0,43-1,60; p = 0,58). In Subgruppenanalysen mit Patienten, die ≥2 Komorbiditäten (6,9 % vs. 8,3 %; aHR, 0,95; 95 % KI 0,40-2,25; p = 0,90) oder eine spezifische Vorgeschichte von kardiovaskulären Erkrankungen bzw. kardiovaskulären Risikofaktoren aufwiesen (3,6 % vs. 4,3 %; aHR 0,85; 95 % KI 0,44-1,65; p = 0,63), wurden ebenfalls keine signifikanten CVM-Unterschiede beobachtet.
Die Ergebnisse blieben außerdem nach Stratifizierung gemäß den sekundären Endpunkten, kardiale, Schlaganfall-bedingte und sonstige vaskuläre Mortalität, ohne Signifikanz. Das CVM-Risiko änderte sich ebenfalls nicht, wenn nach den Subgruppen mittleres versus hohes Krankheitsrisiko stratifiziert wurde. Es gab für keinen Mortalitätsendpunkt signifikante statistische Interaktionseffekte zwischen ADT und vorbestehender Komorbidität (alle p-Werte für alle Interaktionen > 0,05).
PCSM vs. OCM gemäß Komorbiditäten
In der gesamten Studienkohorte betrug das 5-Jahres-Risiko am Prostatakrebs zu versterben (prostate-cancer-specific mortality, PCSM) 1,6 % (18,6 % aller Todesfälle), während das 5-Jahres-Risiko für den Tod einer anderen Ursache (other-cause mortality, OCM) 7,0 % ausmachte (81,4 % aller Todesfälle), einschließlich einer 5-Jahres-CVM-Rate von 2,7 % (31 % aller Todesfälle). Bei Patienten ohne vorbestehende Komorbiditäten betrugen die Risiken für PCSM und OCM jeweils 1,1 % bzw. 4,1 %. Bei Patienten mit ≥1 vorbestehenden Komorbiditäten lag das Risiko, am Prostatakarzinom bzw. an einem Tod jeglicher Ursache zu versterben bei 2,0% versus 8,6% und bei Patienten mit ≥2 vorbestehenden Komorbiditäten bei 1,5% versus 10,8%. Zusammengefasst zeigten die Daten, dass bei Patienten ohne Komorbiditäten die OCM-Rate fast 4-mal höher war als die PCSM-Rate und bei den Patienten mit ≥2 vorbestehenden Komorbiditäten nahezu 7-mal höher.
Fazit
Diese Analyse, liefert Evidenz dafür, dass der Einsatz von ADT mit RT im Vergleich zur alleinigen RT nicht mit einem erhöhten Risiko für eine kardiovaskuläre-spezifische Mortalität assoziiert ist. Dies gilt selbst für die Patientensubgruppe mit vorherigen Komorbiditäten, einschließlich kardiovaskulärer Erkrankungen.