ADT-Erstlinientherapie:
GnRH-Agonisten vs.
Antiandrogen-
Monotherapie
 

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ADT-Erstlinientherapie: Mehr Komorbiditäten bei PCa-Patienten mit GnRH-Agonisten?

 

Es gibt Studien, die zeigen, dass die Behandlung mit einem GnRH-Agonisten eher mit Nebenwirkungen assoziiert ist, verglichen mit einer Antiandrogen-Monotherapie. Jedoch konnte bisher nicht ausgeschlossen werden, dass hierbei ein Indikations-Bias vorliegt, da möglicherweise gesündere Männer, die ein geringeres Risiko für unerwünschte Ereignisse haben, bevorzugt für eine Antiandrogen-Monotherapie ausgewählt werden. Jetzt untersuchte eine Arbeitsgruppe um Kerri Beckmann, Adelaide (Australien), auf Basis einer großen schwedischen Registerstudie (Prostate Cancer Database Sweden 3.0), erstmals die Änderungsrate von Komorbiditäten vor und nach einer Erstlinien-ADT. Die in die Studie eingeschlossenen PCa-Patienten erhielten entweder einen GnRH-Agonisten oder eine Antiandrogen-Monotherapie.

 

Summary

 

Studien legen nahe, dass Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Agonisten eher zu Nebenwirkungen führen als eine Antiandrogen-Monotherapie. Allerdings könnte bei diesen Studien das Risiko eines Indikations-Bias vorliegen, da möglicherweise gesündere Männer, die ein geringeres Risiko für unerwünschte Ereignisse haben, bevorzugt für eine Antiandrogen-Monotherapie ausgewählt werden. Aus diesem Grund untersuchte ein internationales Team um Kerri Beckmann, Adelaide (Australien), auf Basis der Prostate Cancer Database Sweden 3.0 wie sich die Rate der Komorbiditäten vor und nach Beginn einer Erstlinien-ADT entwickelt – jeweils entsprechend bei Patienten, die entweder mit einem GnRH-Agonisten, mit und ohne kurzzeitige Flare-up Protektion (n=4.878), oder einer Antiandrogen-Monotherapie (n=2.078) behandelt wurden. Alle Männer hatten ein Hoch-Risiko nicht-metastasiertes oder ein lokal fortgeschrittenes PCa. Die Änderungsrate der Komorbiditäten wurden mittels Komorbiditäten-Index (Charlson-Comorbidity-Index, CCI) 5 Jahre vor Beginn der Androgendeprivationstherapie bis 5 Jahre danach erfasst. Um einen Indikations-Bias auszuschließen, wurden Männer ohne PCa gleichen Alters und Herkunft als Kontrollgruppe in die Analyse eingeschlossen, um Komorbiditäten aufgrund z. B. des Alters (in Abwesenheit eines PCa und einer PCa-Therapie) unterscheiden zu können.

 

Wie erwartet, war das Risiko für eine Komorbiditätserhöhung bei den mit GnRH-Agonisten behandelten Männern um 32% gegenüber der Antiandrogen-Monotherapie erhöht. Laut Regressionsanalysen stieg die Komorbiditätsrate bei Patienten mit GnRH-Agonisten pro Jahr um 5,6% im Vergleich zur Antiandrogen-Monotherapie (p<0.001). Ferner erhöhte sich bei diesem Patientenklientel unter anderem das Risiko für Herzerkrankungen oder einen Diabetes. Allerdings sollten die Ergebnisse noch in randomisierten Studien bestätigt werden, so das Fazit der Studienautoren.

 

Details

 

Rationale

 

Die Androgendeprivationstherapie (ADT) wird häufig bei fortgeschrittenem Prostatakrebs (PCa) verschrieben, wenn eine kurative Behandlung keine geeignete Option mehr darstellt. Die Therapieformen der ADT umfassen chirurgische Kastration, nichtsteroidale Antiandrogen-(AA)-Monotherapie und Gonadotropin freisetzende Hormon (GnRH)-Agonisten. Dabei werden letztere am häufigsten eingesetzt. Was die Nebenwirkungen betrifft, sind GnRH-Agonisten unter anderem am häufigsten mit Hitzewallungen, Libidoverlust, erektiler Dysfunktion sowie einem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfall und Diabetes assoziiert. Bei der AA-Monotherapie gehören Brustschmerzen und Gynäkomastie zu den am häufigsten beobachteten unerwünschten Ereignissen.

 

Die aktuellen Leitlinien der European Association of Urology empfehlen die AA-Monotherapie nicht als ADT-Erstlinientherapie. Grundlage für diese Entscheidung bilden die Ergebnisse eines Cochrane-Review. In dieser Übersichtsarbeit zeigten Patienten mit fortgeschrittenem PCa, die einen GnRH-Agonisten als Erstlinien-ADT erhielten, ein höheres Gesamtüberleben gegenüber denjenigen mit AA-Monotherapie. Trotzdem wird in skandinavischen Ländern bei einem Hoch-Risiko-Tumor oder lokal fortgeschrittenem PCa häufig eine AA-Monotherapie in der Erstlinie eingesetzt. Die meisten Studien, die in den Cochrane-Review eingeschlossen wurden, verglichen GnRH Agonisten mit einer täglichen Gabe von 50 mg Bicalutamid und nicht mit einer Dosis von 150 mg, welche der aktuellen Standard-Dosierung in Schweden entspricht. Zudem schlossen die meisten Studien Patienten mit einer metastasierten Erkrankung ein. Subgruppen-Analysen zeigten jedoch ein ähnliches Gesamtüberleben für Männer mit einem nicht-metastasierten PCa, die mit täglich 150 mg Bicalutamid behandelt wurden.

 

Studien zeigten, dass Nebenwirkungen eher bei einer Therapie mit GnRH-Agonisten auftreten, als bei einer AA-Monotherapie. Allerdings ist ein Indikations-Bias hierbei nicht auszuschließen, da gesündere Männer, die ein geringeres Risiko für unerwünschte Ereignisse haben, bevorzugt für eine Antiandrogen-Monotherapie ausgewählt werden.

 

Eine internationale Arbeitsgruppe um Kerri Beckmann, Adelaide (Australien), untersuchte jetzt auf Basis der Prostate Cancer Database Sweden 3.0 die Änderungsraten der Komorbidität bei Männern mit GnRH-Agonisten (GnRH-Gruppe) im Vergleich zu AA-Monotherapie (AA-Gruppe) vor und nach Beginn der Erstlinien-ADT. Bisher gab es noch keine Studien, die eine AA-Monotherapie mit einem GnRH-Agonisten in Bezug auf die kumulierte Gesamt-Komorbiditätsrate verglichen haben.

 

Methodik

 

Die in die Studie eingeschlossenen PCa-Patienten mit einem Hoch-Risikotumor ohne Metastasen oder einem lokal fortgeschrittenen Tumor wurden von Januar 2006 bis Dezember 2013 aus der Prostate Cancer Database Sweden 3.0 selektiert. Da die schwedische Datenbank für jeden diagnostizierten Fall auch fünf PCa-freie Männer aufnimmt und so eine nach Geburtsjahr und Region angepasste Vergleichskohorte bildet, definierte die Arbeitsgruppe vier Studiengruppen: Patienten mit AA-Monotherapie (n=2.078), Patienten mit GnRH-Agonisten, mit oder ohne kurzzeitiger Flare-up Protektion mit einem Antiandrogen (n=4.878) und jeweils eine entsprechende Vergleichskohorte mit Männern, die nicht an einem PCa erkrankt waren. So wurden den Patienten mit GnRH-Agonisten 21.808 PCa-freie Männern zugeordnet und den Patienten mit primärer AA-Monotherapie 9.337 PCa-freie Männer. Patienten mit Orchiektomie und Fernmetastasen wurden ausgeschlossen.

 

Die Zunahme der Komorbiditäten erfasste das Team mittels Charlson-Comorbidity-Index (CCI). Dabei erstreckte sich die Datenerfassung über 5 Jahre vor Start der ADT bis 5 Jahre danach.

 

Ergebnisse

 

Das mediane Follow-up umfasste für die GnRH-Gruppe 3,7 Jahre und für den AA-Arm 3,0 Jahre. Mit Blick auf die Ausgangsdaten waren die mit dem GnRH-Agonisten behandelten Patienten etwas älter, weniger oft verheiratet und hatten ein niedrigeres Bildungsniveau. Außerdem wiesen sie zum Zeitpunkt der Diagnose ungünstigere klinische Eigenschaften auf als die Männer mit AA-Monotherapie.

Die Verlaufskurven der kumulierten Änderungen des medianen CCI-Scores waren vor Beginn der ADT in allen vier Gruppen ähnlich, wenngleich die entsprechende Kurve bei den zukünftigen AA-Patienten geringfügig niedriger ausfiel. Nach dem Start der ADT stieg bei den mit einem GnRH-Agonisten behandelten Männern die Komorbiditätsrate stärker an als bei der zugeordneten Kontrollgruppe. Zum Vergleich: Bei den Patienten mit AA-Monotherapie und der zugeordneten PCa-freien-Gruppe unterschieden sich die Verlaufskurven nur unwesentlich.

 

Mit Blick auf die Krankheitsbilder, die zu einer CCI-Veränderung beigetragen haben, war bei den Männern der GnRH-Gruppe das Risiko für eine chronische Herzinsuffizienz im Vergleich zur AA-Gruppe doppelt so hoch (12% vs. 6%). Jeder 10. Patient mit einem GnRH-Agonisten erlitt einen Schlaganfall, bei den Männern mit AA-Monotherapie war jeder 6. betroffen. Vor Beginn der ADT bestanden bei diesen Krankheitsbildern dagegen keine Unterschiede zwischen den Studiengruppen.

 

In der multivariaten Regressionsanalyse erhöhte sich die Komorbiditätsrate bei Patienten mit GnRH-Agonisten pro Jahr um 5,6% gegenüber der AA-Monotherapie (p<0.001). In den 5 Jahren vor Beginn der ADT wurde keine signifikante Änderung dieses Parameters beobachtet (0,7% pro Jahr, p=0,162).

 

Mit multivariaten Analysen nach dem Cox-Modell wurde das zunehmende Risiko für eine Komorbiditätserhöhung nach Beginn der ADT ermittelt: So war bei den mit einem GnRH-Agonisten behandelten Patienten das Risiko für eine Komorbiditätserhöhung größer als in der AA-Gruppe (HR 1,31; 95% KI 1,20-1,44).

 

Hinsichtlich der Erkrankungen, die zu den CCI-Veränderungen beitragen, war das Risiko für koronare Herzerkrankungen (HR 1,39; 95% KI 1,14-1,69) und Diabetes (HR 1,64; 95% KI 1,26-2,13) und Schlaganfall (HR 1,26; 95% KI 0,99-1,57) in der GnRH-Gruppe erhöht gegenüber den Männern mit einer AA-Monotherapie.

 

Darüber hinaus hatten die mit einem GnRH-Agonisten behandelten Männern ein stärkeres Risiko, eine Demenz zu entwickeln im Vergleich zur AA-Gruppe. Der Unterschied erreichte jedoch keine statistische Signifikanz.

 

Dass die Ergebnisse nicht einfach auf einen Indikations-Bias zurückzuführen sind, zeigen die Ähnlichkeiten in den Änderungsraten von Komorbiditäten, die Profile spezifischer Komorbiditäten vor Beginn einer ADT sowie die konstanten Ergebnisse in der Vergleichsgruppen-Analyse. Obwohl die statistischen Methoden darauf abzielten, mögliche Bias aufzudecken, ist es möglich, dass die bevorzugte Auswahl einer AA-Monotherapie vor einer Behandlung mit GnRH-Agonisten mit anderen Faktoren wie Fitness oder Sexualfunktion assoziiert war, die wieder mit einem Risiko weiterer Komorbiditäten verbunden sind. Wesentlich ist, dass die Ähnlichkeit in den CCI-Profilen vor Beginn der ADT eine gewisse Sicherheit gibt, dass die Unterschiede im Gesundheitsstatus nicht erheblich waren.

 

Fazit

 

Wie die Studienautoren abschließend zusammenfassen, deuten die vorliegenden Daten darauf hin, dass mit einem GnRH-Agonisten behandelte PCa-Patienten ein höheres Risiko haben, zusätzliche Komorbiditäten zu entwickeln im Vergleich zu Männern mit einer AA-Monotherapie. Falls dies tatsächlich der Fall wäre, würden sich die Ergebnisse erheblich auf die Auswahl der ADT für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs auswirken, die für eine kurative Behandlung nicht geeignet sind. Dies betrifft vor allem diejenigen, die eine ADT über einen längeren Zeitraum erhalten. Damit die neuen Studienergebnisse bei der Guideline-Entwicklung berücksichtigt werden können, müssen sie durch weitere randomisierte, kontrollierte Studien bestätigt werden.

REFERENZEN