Ausgangs-
testosteron und
Prognose

Ausgangstestosteron-Wert und Prognose

 

Wie beeinflusst der Ausgangstestosteron-Wert die Überlebensdaten von hormon-naiven Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom (PCa), die eine kontinuierliche Androgendeprivationstherapie (c-ADT) erhalten? Diese Frage untersuchte Anup Patel (London, England) jetzt in einer gepoolten Post-hoc-Analyse mit 838 Patienten aus 2 großen prospektiven Phase-3b-Studien (NCT00295750dGlobal; NCT00928434dUSA), die 1 Jahr nachbeobachtet wurden.   

 

Summary

 

Anup Patel untersuchte anhand gepoolter Daten von 838 hormon-naiven Patienten, die an einem fortgeschrittenen PCa erkrankt waren und eine c-ADT bekamen, den Einfluss des Ausgangstestosteron-Werts auf die Überlebensdaten. Gemäß des Sättigungsmodells nach Abraham Morgentaler[*] nutze Patel als Grenzwert den Ausgangstestosteron-Spiegel < 250 ng/dl und teilten die Patienten entsprechend in zwei Gruppen auf: niedrige Ausgangstestosteron-Spiegel < 250 ng/dl vs. normale ≥ 250 ng/dl. 138 (16,5 %) von 838 Patienten wiesen einen niedrigen (< 250 ng/dl) und 700 Patienten einen normalem (≥ 250 ng/dl) Ausgangstestosteron-Spiegel auf. Wichtige PCa-bezogene Variablen waren bei beiden Gruppen vergleichbar: Gleason Score 7-10 (55 % vs. 58 %), Krankheitsstadium und prostataspezifisches Antigen > 20 ng/ml (jeweils 38 %). Der niedrigste Ausgangswert des Serumtestosteron-Quartils war der Cut-off Wert < 282 ng/dl (n=206).

Nach Anpassung der klinisch relevanten Kovariablen in den multivariaten Analysen, wurde gezeigt, dass ein niedriger Ausgangstestosteron-Wert < 250 ng/dl mit einem kürzeren Gesamt- und progressionsfreien Überleben assoziiert war, während die Zeit bis zur PSA-Progression keine Signifikanz erreichte (Tabelle 1).  

 

Hazard Ratio
Testosteron-Ausgangswert
< 250 ng/dl

Konfidenzintervall 95 %;
p-Wert 

Gesamtüberleben

2,24

1,14-4,38; p < 0,02

Progressionsfreie Überleben

1,57

1,06-2,32; p < 0,02

Zeit bis zur PSA-Progression

1,37

0,87-2,15; p = 0,2

Tabelle 1: Überlebensergebnisse der Patienten mit niedrigem Testosteronausgangs-Wert (< 250 ng/dl) in den multivariaten Analysen nach Anpassung der klinisch relevanten Kovariablen.

 

Details

 

Rationale & Fragestellung

Wie Ausgangstestosteron-Spiegel und das hormon-naive fortgeschrittene Prostatakarzinom zusammenhängen, wurde bisher lediglich in kleinen heterogenen monozentrischen Studien untersucht – ein Aspekt, der mit Unsicherheit und potenziell ungedecktem Bedarf einhergeht. Denn: Die Annahme, dass höhere Serumtestosteron-Werte zu einem schnellen Prostatakrebswachstum beitragen können, während niedrige Testosteron-Werte eine protektive Rolle einnehmen, hat sich seit "Huggins and Hodges Entdeckung" gehalten. Eine zwei Jahrzehnte umfassende Literaturübersicht über diesen Zusammenhang offenbarte ein breites Spektrum an Qualitätsmängeln sowie eine geringe Standardisierung – beides Punkte, die neben einer anhaltenden Debatte auch mit einem ungedeckten klinischen Bedarf bei vielen PCa-Patienten assoziiert sind.

Anup Patel (London, England) analysierte nun den prognostischen Wert des Serumtestosteron-Spiegels bei hormon-naiven Patienten mit fortgeschrittenem PCa, die eine c-ADT erhalten haben.  

Methodik

Die Studienpopulation wurde aus 2 großen prospektiven, randomisierten, parallelarmigen Phase-3b-Studien (NCT00295750dGlobal; NCT00928434dUSA) für eine Post-hoc-Analyse zusammengefasst. Alle in die Auswertung eingeschlossenen Patienten bekamen eine c-ADT[†] und wurden 1 Jahr nachbeobachtet.

Gemäß des Sättigungsmodells nach Abraham Morgentaler[*] wurden für den Grenzwert des Ausgangstestosteron-Spiegels < 250 ng/dl vs. ≥ 250 ng/dl gewählt, die Patienten diesen Gruppen entsprechend zugeteilt und die Überlebensraten und, -zeiten analysiert (Kaplan-Meier und Log-Rank-Test). Die Analyse der Überlebensendpunkte – Gesamtüberleben, progressionsfreies Überleben und Zeit bis zum PSA-Anstieg – erfolgte in einer multivariaten Analyse, die etablierte klinische und serologische Parameter wie das Alter der Patienten und die Serumausgangs-Werte (Testosteron, prostataspezifisches Antigen, Hämoglobin, und alkalische Phosphatase) als kontinuierliche Variable und 3 Gleason-Score-Kategorien (≤ 4, 5-6,7-10) einbezog.

Ergebnisse

138 (16,5 %) von 838 Patienten wiesen einen niedrigen (< 250 ng/dl) und 700 Patienten einen normalem (≥ 250 ng/dl) Ausgangstestosteron-Spiegel auf. Wichtige PCa-bezogene Variablen waren bei beiden Gruppen vergleichbar: Gleason Score 7-10 (55 % vs. 58 %), Krankheitsstadium und prostataspezifisches Antigen > 20 ng/ml (jeweils 38 %). Der niedrigste Ausgangswert des Serumtestosteron-Quartils war der Cut-off Wert < 282 ng/dl (n=206).

In den vergleichenden Überlebenszeitanalysen auf Basis der unbereinigten Kohorte (n=838) ergab sich im Median für die Patienten mit niedrigen (< 250 ng/dl) gegenüber denjenigen mit normalen Testosteron-Ausgangswerten (≥ 250 ng/dl) sowohl ein kürzeres Gesamt- als auch ein kürzeres progressionsfreies Überleben sowie eine kürzere Zeit bis zum PSA-Anstieg (p-Werte des Log-Rank-Tests entsprechend < 0,01 vs. < 0,003 vs. < 0,04). Nach Anpassung der klinisch relevanten Kovariablen in den multivariaten Analysen, wurde dies bestätigt: ein niedriger Ausgangstestosteron-Wert < 250 ng/dl war mit einem kürzeren Gesamt- und progressionsfreien Überleben assoziiert, während die Zeit bis zur PSA-Progression keine Signifikanz erreichte (Tabelle 1).

 

Hazard Ratio
Testosteron-Ausgangswert
< 250 ng/dl

Konfidenzintervall 95 %;
p-Wert 

Gesamtüberleben

2,24

1,14-4,38; p < 0,02

Progressionsfreies Überleben

1,57

1,06-2,32; p < 0,02

Zeit bis zur PSA-Progression

1,37

0,87-2,15; p = 0,2

Tabelle 1: Überlebensergebnisse der Patienten mit niedrigem Testosteronausgangs-Wert (< 250 ng/dl) in den multivariaten Analysen nach Anpassung der klinisch relevanten Kovariablen.

 

Diskussions-Punkte   

Die vorliegenden Ergebnisse der gepoolten Post-hoc-Analyse korrespondieren gut mit der wachsenden Fachliteratur, die darauf hinweist, dass niedrigere Ausgangstestosteron-Werte mit einer schlechteren Prognose für Prostatakrebspatienten assoziiert sein können – dies gilt selbst für die früheren Erkrankungsstadien. Zudem werden die vorliegenden Daten vom Androgenrezeptor-Sättigungs-Modell untermauert* – ein Aspekt, der den konventionellen Diskurs widerlegt, dass normale oder sogar hohe Testosteronwerte bei Patienten mit fortgeschrittenem PCa eine schlechte Prognose bedeuten.  

 

Fazit

Diese Post-hoc-Analyse liefert laut Anup Patel die aktuell beste Evidenz dafür, dass bei hormon-naiven Patienten mit fortgeschrittenem PCa, die eine c-ADT erhalten, niedrige Ausgangstestosteron-Werte mit einer schlechteren Prognose  assoziiert sind. Würde der Ausgangstestosteron-Wert routinemäßig gemessen, könnten Patienten mit biochemischer Hypogonadie identifiziert und darüber informiert werden. Diese Patienten könnten dann in zukünftige, klinische Studien eingeschlossen werden, wo gegen den langjährig etablierten Goldstandard der c-ADT getestet würde.

 


[*] Laut Sättigungsmodell können niedrige Serumtestosteronlevel mit einer negativen prädiktiven Rolle beim PCa assoziiert sein [Morgentaler A and Traish AM: Shifting the paradigm of testosterone and prostate cancer: the saturation model and the limits of androgen-dependent growth. Eur Urol 2009; 55: 310].

[†] Luteinisierendes-Hormon-Releasing-Hormon (LHRH)-Agonist oder Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Antagonist.