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Zusammenhang von Testosteron- und korrespondierenden PSA-Werten bei der ADT

 

In den letzten Jahren schwang das Pendel bei der Prostatakrebs (PCa)-Therapie in die Richtung, den Testosteron-Wert (T-Wert) während der Androgendeprivationstherapie (ADT) auf dem niedrigsten Niveau zu halten – über die gesamte Zeit und bei jedem Patienten. Unklar ist allerdings, welche Bedeutung die begleitenden Prostata-spezifisches Antigen (PSA)-Werte haben und wie die Therapie an veränderte T-Werte angepasst werden soll. Samuel Tremblay et al. (Quebec, Kanada) haben im Rahmen einer retrospektiven Analyse der PR.7-Studie Antworten gefunden (ausgewertet: 678 Patienten mit PSA-Rezidiv nach lokaler Therapie). Das Besondere daran: Das Team entwickelte auf Basis seiner Daten einen klinischen Algorithmus für den Praxisalltag. Ziel der Re-Analyse der PR.7-Studie war, die prognostische Relevanz der T-Werte während der Langzeit-ADT in Relation zu den korrespondierenden PSA-Werten zu erfassen. Zudem wurde die prognostische Relevanz von T-Durchbrüchen (≥1,7 nmol/l) untersucht und die Zeit bis zur Kastrationsresistenz (CRPC) sowie das Krebs-spezifische Überleben (CSS) und Gesamtüberleben (OS) ermittelt

 

Summary

 

Die randomisierte Nicht-Unterlegenheitsstudie PR.7-Studie[1] hatte eine intermittierende ADT (n=690) versus einer kontinuierlichen ADT (CAD; n=696) bei PCa-Patienten untersucht, die nach einer Strahlentherapie ein biochemisches Rezidiv (PSA-Wert >3,0 ng/ml) hatten. Die mediane Nachbeobachtungszeit lag bei 6,9 Jahren. Samuel Tremblay et al. führten jetzt eine retrospektive Analyse der PR.7-Studie anhand der Patienten-Daten im CAD-Arm durch.

 

Wurden im ersten Jahr der ADT T-Werte von >0,7 nmol/l beobachtet, war dies mit nachfolgenden T-Durchbrüchen (>1,7 nmol/l) assoziiert. Allerdings beeinflusste die Anzahl der T-Durchbrüche nicht das Risiko eines CRPC, eines PCa-spezifischen Todes oder eines jeglichen Todes. Eine zeitabhängige bereinigte Analyse ergab erwartungsgemäß eine prognostische Relevanz der PSA-Werte, während die relative kumulative Testosteronexposition nicht mit den Therapieergebnissen assoziiert war. Multiple Überlebenszeitanalysen weisen zudem darauf hin, dass die prognostische Bedeutung der T-Werte durch den prognostischen Wert der parallel erfassten PSA-Werte in den Hintergrund gerät. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die T-Werte während der ADT besonders im ersten Jahr relevant sind, wenn der PSA-Wert (≥0,2 ng/ml) noch nachweisbar ist, jedoch scheinen sie in der Langzeittherapie weniger kritisch zu sein.

 

Auf Basis ihrer Daten schlagen die Studienautoren einen klinischen Algorithmus zur Nachsorge von Patienten vor, die ein PSA-Rezidiv nach lokaler Therapie verzeichnen und mit einer ADT beginnen (Abbildung 1).

 

Abbildung1

 

Abbildung 1: Vorschlag eines klinischen Algorithmus zur Nachsorge von PCa-Patienten, die nach einer lokalen Therapie ein biochemisches Rezidiv entwickelt haben und mit einer ADT beginnen.

 

Details

 

Rationale

Die T-Spiegel bei jedem PCa-Patienten so niedrig wie möglich halten – so lautet einer der wichtigsten Grundsätze im Rahmen der ADT. Mehrere Studien zeigten, dass ein niedriger Nadir-Serum-T-Wert (<0,7 mmol/l) während des ersten Jahres einer ADT mit einer besseren Prognose für den Krankheitsverlauf, einschließlich des CSS, assoziiert ist. Aus diesem Grund wird allgemein empfohlen, während der ADT den T-Spiegel zu überwachen. Unklar ist allerdings, welche Bedeutung niedrige T-Werte während einer Langzeit-ADT haben, welche Rolle die korrespondierenden PSA-Werte spielen und wie die Therapie als Reaktion auf erhöhte T-Werte angepasst werden sollte.

 

Samuel Tremblay et al. (Quebec, Kanada) nahmen sich jetzt des Themas im Rahmen einer retrospektiven Analyse der PR.7-Studie[1] an. Die randomisierte Nicht-Unterlegenheitsstudie PR.7 hatte eine intermittierende ADT (n=690) gegenüber einer CAD (n=696) bei insgesamt 1.386 PCa-Patienten untersucht, bei denen nach einer Strahlentherapie ein biochemisches Rezidiv aufgetreten war; das mediane Follow-up lag bei 6,9 Jahren.

 

Methodik

In die vorliegende Auswertung wurden Patienten aus dem CAD-Arm der PR.7-Studie berücksichtigt: Ziel der Analyse war, die prognostische Bedeutung der T-Spiegel während der ADT in Relation zu den entsprechenden PSA-Werten zu erfassen. PSA- und T-Werte wurden alle zwei Monate gemessen. Zudem untersuchte die Arbeitsgruppe, ob die Anzahl der T-Durchbrüche (>1,7 nmol/l) die Zeit bis zum kastrationsresistenten Prostatakrebs (CRPC), das krebsspezifische Überleben (CSS) oder das Gesamtüberleben (OS) vorhersagt. Außerdem sollen die Ergebnisse dazu beitragen, eine Prognose anhand der T-Werte abzugeben und eine Grundlage für eine geeignete Therapie-Adaption zu bilden. Um den Anteil des nachweisbaren PSA (definiert als ≥0,2 ng/ml) für jedes Terzil des T-Wertes, (vorab definiert: <0,7 nmol, 0,7-1,7 nmol, >1,7 nmol) zu bewerten, kategorisierte die Arbeitsgruppe die PSA-Messungen, die innerhalb eines Monats nach den T-Messungen durchgeführt wurden.

 

Ergebnisse

Prognostische Bedeutung von Testosteron-Werten in Relation zu den korrespondierenden PSA-Werten während der ADT

 

Von den 696 Patienten im CAD-Arm stand bei 678 mindestens eine T-Messung mit einem korrespondierenden PSA-Wert zur Verfügung. Wie antizipiert, war der Anteil der Patienten mit nachweisbaren PSA-Werten (≥0,2 ng/ml) in beiden höheren T-Wert-Terzilen (0,7-1,7 nmol, >1,7 nmol) während der ersten beiden Studienjahre signifikant höher. Wenngleich die Unterschiede signifikant waren, wurde während dieser Zeit keine Korrelation zwischen PSA- und T-Spiegel festgestellt – abgesehen von den Werten nach 12 Monaten, die eine geringe (r=0,10) aber signifikante Korrelation (p=0,015) aufwiesen.

 

Um herauszufinden, welche Bedeutung die erhöhten T-Werte für die spätere Entwicklung eines CRPC bei Patienten mit nachweisbaren (≥0,2 ng/ml) und nicht nachweisbaren (<0,2 ng/ml) PSA-Werten haben, verglich das Team die Anteile der Patienten nach 6,12 und 24 Monaten, die während der Nachbeobachtung ein CRPC entwickelten. Ausgewertet wurden 6 Patienten-Kategorien, basierend auf PSA-Wert (<0,2, ≥0,2 ng/ml) und T-Terzil (<0,7 nmol, 0,7-1,7 nmol, >1,7 nmol): Bei der 6-Monats-Bewertung gab es unter den 301 Patienten mit einem PSA-Wert <0,2 ng/ml einen signifikant höheren Anteil (p=0,04) im höchsten T-Terzil (>1,7 nmol), die im Laufe der Nachbeobachtung ein CRPC entwickelten. In Bezug auf die Messzeitpunkte Monat 12 und 24 zeigten sich keine Unterschiede. Mit Blick auf den nachweisbaren PSA-Wert wurde erwartungsgemäß bei mehr Patienten, deren PSA-Wert zu allen drei Messzeitpunkten ≥0,2 ng/ml lag, während der Nachbeobachtung ein CRPC (p<0,0001) diagnostiziert, verglichen mit denjenigen, die einen PSA-Wert <0,2 ng/ml aufwiesen. Allerdings: Bei den Patienten mit einem PSA-Wert von ≥0,2 ng/ml war das T-Terzil von Monat 6, 12 oder 24 nicht signifikant mit der späteren Diagnose eines CRPC assoziiert. Die Überlebenszeitanalyse (Kaplan-Meier) zeigte zudem, dass das T-Terzil die Zeit bis zum Auftreten eines CRPC lediglich minimal im Vergleich zur PSA-Kategorie beeinflusste, basierend auf den 6 Kategorien. Diese Ergebnisse lassen sich auch auf die Parameter CSS und OS übertragen.

 

Eine multivariate Analyse bewertete – unter Bereinigung der Ausgangscharakteristika – wie sich jede der 6 PSA- und T-Kategorien nach 12 Monaten auf das Risiko auswirkte, ein kastrationsresistentes PCa zu entwickeln, am PCa oder an jeglicher Ursache zu versterben. Es zeigte sich, dass ein PSA-Wert von ≥0,2 ng/ml in Monat 12 zu signifikanten Unterschieden bei allen drei Endpunkten – CRPC, CSS, OS – führte. Bemerkenswert war: Anders als bei Patienten mit einem PSA-Wert <0,2 ng/ml, erhöhte sich bei einem PSA-Wert von ≥0,2 ng/ml mit zunehmenden T-Terzilen die Hazard Ratio für CRPC, Tod durch das PCa oder Tod jeglicher Ursache. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen die Auswertungen nach 24 Monaten.

 

Testosteron-Durchbrüche während der ADT

Patienten, die im ersten Jahr der CAD höhere Nadir-T-Spiegel aufwiesen, erfuhren anschließend häufigere T-Durchbrüche mit >1,7 nmol/l (p<0,001), Tabelle 1.

 

 

Anzahl der T-Durchbrüche >1,7 nmol/l nach 1 Jahr (%) 

Max. T-Werte im 1. Jahr 

0 

1 

≥2 

<0,7 nmol/l 

156 (91) 

9 (5) 

6 (4) 

0,7-1,7 nmol/l 

244 (78) 

49 (16) 

17 (5) 

>1,7 nmol/l 

88 (61) 

22 (15) 

35 (24) 

Tabelle 1: Zusammenhang zwischen dem im ersten Jahr gemessenen maximalen Testosteronwert und der anschließenden Häufigkeit von T-Durchbrüchen (>1,7 nmol/l) 

 

Um die Auswirkungen der T-Durchbruchswerte auf die Langzeitergebnisse zu bewerten, wurden die Patienten anhand der Anzahl der T-Durchbrüche in den ersten drei Therapie-Jahren ausgewertet. Tabelle 2 listet den Anteil der Patienten nach der Anzahl der T-Durchbrüche auf.

 

T-Durchbrüche (n) 

Anteil Patienten (n)  

1 

128 (19 %) 

2 

47 (7,0 %) 

3 

21 (3,1 %) 

≥ 4 

30 (4,5 %) 

Tabelle 2: Anteil der Patienten mit T-Durchbrüchen nach Anzahl in den ersten drei Therapie-Jahren.   

 

Die Anzahl der T-Durchbrüche (0, 1 oder ≥2) war nicht dem Risiko einer kürzeren Zeit bis zum CRPC und einem kürzeren CSS oder OS assoziiert. Die Ergebnisse wurden durch eine bereinigte Analyse bestätigt, die Patienten mit ≥2 T-Durchbrüchen vs. diejenigen ohne Durchbruch untersuchte.

Um herauszufinden, ob die kumulative Testosteron-Exposition einen Einfluss auf die Ergebnisse haben könnte, wurde eine zeitabhängige bereinigte Analyse mit allen verfügbaren PSA- und T-Messungen durchgeführt. Diese Analyse ergab, dass höhere PSA-Werte zwar erwartungsgemäß mit einem kürzeren CSS und OS einhergingen, eine entsprechende Signifikanz für die T-Werte wurde jedoch nicht festgestellt (HR 1,007, 95% KI 1,007, 95% KI 1,005-1,009, p <0,0001 und HR 1,005, 95% KI 1,003-1,006; p<0,0001, jeweils für einen Anstieg um 10 Einheiten). Außerdem waren weder PSA- noch T-Werte im Zeitverlauf signifikant mit der Zeit bis zum Auftreten eines CRPC assoziiert.

 

Fazit

 

Die vorliegende Analyse zeigte: T-Durchbruchsereignisse waren nicht mit einer erhöhten Progressions-Rate zu CRPC, einem kürzeren CSS oder OS assoziiert. Die T-Werte während der ADT sind besonders im ersten Jahr relevant, wenn der PSA-Wert noch nachweisbar ist, scheinen jedoch in der Langzeittherapie weniger kritisch zu sein.

Die Ergebnisse der zeitabhängigen Analyse unterstützen laut Studienautoren die Hypothese, dass die Nadir-T-Werte zu Beginn der ADT prognostische Marker für die Tumor- und/oder Patientenbiologie sind und eine spätere Therapieänderung zur Senkung des T-Wertes wahrscheinlich keinen therapeutischen Nutzen hat. Die Studienautoren haben auf Basis ihrer Daten einen klinischen Nachsorge-Algorithmus entwickelt (Abbildung 1):

 

Abbildung2

 

Abbildung 1: Vorschlag eines klinischen Algorithmus zur Nachsorge von PCa-Patienten, die nach einer lokalen Therapie ein biochemisches Rezidiv entwickelt haben und mit einer ADT beginnen.

 

Tremblay S, Summers-Trasiewicz L, Pouliot F, Crook JM, Ding K, Klotz L, Toren P. Interpreting Testosterone and Concomitant Prostate Specific Antigen Values during Androgen Deprivation Therapy for Recurrent Prostate Cancer. J Urol. 2021 Nov;206(5):1166-1176. doi: 10.1097/JU.0000000000001946. Epub 2021 Jun 29. PMID: 34184929.