Verweildauer und
Überlebenszeit beim
fortgeschrittenen
PCa

Verweildauer und Überlebenszeit beim fortgeschrittenen PCa

 

Bisher weiß man wenig darüber, wie lange es bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom (PCa) vom Eintritt in ein Krankheitsstadium bis zur Progression in ein nächstes Stadium dauert – in Bezug auf die hormonsensitiven (nicht-metastasiert hormonsensitiv, nmHSPC; metastasiert hormonsensitiv, mHSPC) und kastrationsresistenten (nicht-metastasiert kastrationsresistent, nmCRPC und metastasiert kastrationsresistent, mCRPC) Krankheitsstadien. Eine Arbeitsgruppe um Johanna Svensson (Schweden, Stockholm) ging jetzt erstmalig dieser Fragestellung im Rahmen einer nicht-interventionellen Registerstudie mit 1.869 Patienten nach, die alle ein fortgeschrittenes PCa aufwiesen.

 

Summary

Johanna Svensson et al. (Stockholm, Schweden) schlossen in ihre nicht-interventionelle Register-Studie 1.869 Patienten mit fortgeschrittenem PCa ein, die zwischen dem 1. Januar 2014 und 31. Dezember 2016 prospektiv in der „patient-overview prostate cancer“ (PPC) registriert wurden und bei denen innerhalb des Studienzeitraums (2006-2016) eine Androgendeprivationstherapie (ADT) initiiert wurde. Es zeigte sich, dass die Progressionszeit von den Stadien mHSPC und nmCRPC zum mCRPC kurz war und dass die Patienten mit mCRPC ungefähr im Median 4 Jahre überlebten. Tabelle 1 stellt für die vier Stadien die Zeitspanne bis zur Progression sowie die Überlebenszeiten bzw. bei den mCRPC-Patienten, die Zeitdauer bis zum Tod dar. Ein Großteil der verstorbenen Patienten hatte einen Übergang ins mCRPC durchlaufen (90 %).

 

Median in Jahren

Krankheitsstadium

bis zur Progression

Überlebenszeit

nmHSPC

4

11

mHSPC

1

7

nmCRPC

1

8,5

 

bis zum Tod

mCRPC

4

Tabelle 1: Zeit bis zur Progression in ein höheres Stadium/bis zum Tod durch das PCa und mediane Überlebenszeit (jeweils der Median in Jahren) bei Patienten mit fortgeschrittenem PCa, bezogen auf die hormonsensitiven und kastrationsresistenten Krankheitsstadien.

 

Details

Rationale

Für Patienten mit fortgeschrittenem PCa wurden in den letzten Jahren einige neue lebensverlängernde Therapieoptionen zugelassen. In randomisierten Studien lebten Patienten mit nmCRPC, mCRPC und mHSPC länger bei gleichzeitig verbesserter Lebensqualität. Allerdings erfolgte die Akzeptanz der entsprechenden Therapieansätze nur langsam und ist mit großen regionalen Unterschieden assoziiert, wozu die hohen Behandlungskosten beigetragen haben könnten. Bislang gibt es kaum Erkenntnisse darüber, wie lange der Zeitraum ist, den PCa-Patienten in den einzelnen Krankheitsstadien verbringen. Unbekannt ist auch, welchen Einfluss dies auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen (healthcare resource utilization, HRU) und Kosten hat.

Fragestellung & Methodik

Johanna Svensson et al. (Stockholm, Schweden) untersuchten jetzt erstmalig, wie lange bei Patienten mit fortgeschrittenem PCa das jeweilige Krankheitsstadium dauert. Darüber hinaus interessierte, wie hoch die damit verbundenen HRU und Kosten sind. Die Arbeitsgruppe analysierte im Rahmen einer nicht-interventionellen Register-Studie Daten der „patient-overview prostate cancer“ (PPC) – ein neuer, 2014 ins Leben gerufener Bereich des schwedischen Nationalen Prostatakrebsregisters (NPCR). Im PPC werden Langzeitdaten von Patienten mit fortgeschrittenem PCa registriert.  

Die Studienpopulation umfasste 1.869 Patienten mit fortgeschrittenem PCa, die in PPC zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 31. Dezember 2016 registriert waren. Für diese Patienten waren prospektive Daten ab dem Zeitpunkt der Registrierung bis zum Tod oder bis zum 31. Dezember 2016 vorhanden. Patientendaten zu Ereignissen vor dem Eintritt in das PPC wurden aus Krankenakten extrahiert, die bis zum 1. Januar 2006 zurückreichen.

Die Studienendpunkte:  

  • Der primäre Endpunkt: Die Zeitspanne vom Beginn des jeweiligen PCa-Krankheitsstadiums bis zum Zeitpunkt der Progression in ein weiteres Stadium oder Tod
  • Sekundäre Endpunkte: Co-Medikationen, Komorbiditäten und Inanspruchnahme von HRU und Kosten/Krankheitsstadium

Ergebnisse

Von den 1.869 eingeschlossenen Patienten mit fortgeschrittenem PCa waren zu ADT-Beginn 79 % ≥ 66 Jahre alt und 3 % ≤ 55 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der PCa-Diagnose wiesen 32 % Metastasen auf. Das mittlere Alter der Patienten reichte von 70 Jahren beim Eintritt ins mHSPC bis zu 75 Jahren beim Eintritt ins nmCRPC. Die Patienten erreichten ab der PCa-Diagnose im Mittel nach einem Jahr das mHSPC und nach fünf Jahren das nmCRPC.

Etwas mehr als jeder zweite Patient mit mCRPC erfuhr die Progression in dieses Stadium ausgehend vom mHSPC – bei rund einem Viertel erfolgte die Progression ausgehend vom nmHSPC- und bei einem weiteren Viertel ausgehend vom nmCRPC-Stadium. Ein Großteil der verstorbenen Patienten (> 90 %) hatte die mCRPC-Phase erreicht (Abbildung 1).

 

Graph

Abbildung 1: Übergänge zwischen Krankheitsstadien bei Patienten
mit fortgeschrittenem PCa. Ein Patient kann in mehr als einem
Stadium vertreten sein.

 

Primärer Endpunkt
Bei den Patienten im nmHSPC-Stadium dauerte es fast 3-mal so lange bis zur Progression, im Vergleich zu den Patienten mit mHSPC- und nmCRPC. Tabelle 1 stellt – jeweils bezogen auf die einzelnen Krankheitsstadien – die Zeit bis zur Progression und die Überlebenszeit dar (bei den mCRPC-Patienten die Zeit bis zum krebsspezifischen Tod).  

 

Median in Jahren

Krankheitsstadium

bis zur Progression

Überlebenszeit

nmHSPC

4

11

mHSPC

1

7

nmCRPC

1

8,5

 

bis zum Tod

mCRPC

4

Tabelle 1: Zeit bis zur Progression in ein höheres Stadium/bis zum Tod durch das PCa und mediane Überlebenszeit (jeweils der Median in Jahren) bei Patienten mit fortgeschrittenem PCa, bezogen auf die hormonsensitiven und kastrationsresistenten Krankheitsstadien.

Um den Einfluss der Selektion von Langzeitüberlebenden auszuschließen, führte die Arbeitsgruppe eine Sensitivitäts-Analyse durch, die ausschließlich die 991 Patienten einschloss, die nach dem 1. Januar 2013 mit der ADT begonnen hatten. Es zeigte sich, dass – gegenüber der gesamten Studien-Kohorte – die mediane Zeit bis zur Progression beim HSPC kürzer und beim nmCRPC ähnlich war. Die Patienten in den kastrationsresistenten Stadien wiesen eine kürzere Zeit bis zum Tod auf, verglichen mit der gesamten Kohorte.   

Die Mehrheit der Patienten mit mCRPC hatte zum Zeitpunkt der Diagnose keine Metastasen (61 %). Eine Sensitivitäts-Analyse, basierend auf dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Metastasen zum Zeitpunkt der Diagnose, ergab keinen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen in Bezug auf die mediane Zeitdauer vom Eintritt in das mCRPC bis zum Tod.

Sekundäre Endpunkte
Patienten mit HSPC wurden – unabhängig vom metastatischen Status – am häufigsten mit einer ADT behandelt [Antiandrogene oder Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Analoga]. Patienten mit nmCRPC erhielten fast ausschließlich ein GnRH-Analogon (92 %). Patienten mit mCRPC bekamen mehrere verschiedene Therapien – dabei machten bei den am häufigsten eingesetzten Substanzen GnRH-Analoga mit 74 % den größten Anteil aus, gefolgt von auf den Androgenrezeptor gerichteten Substanzen (68 %) und Docetaxel (41 %).

Hinsichtlich der Co-Medikation waren als häufigste Substanzen Analgetika und Antipyretika, Antithrombotika und Opioide vertreten – mit zunehmender Anwendung in weiter fortgeschrittenen Krankheitsstadien, insbesondere beim mCRPC.

Die Komorbiditäten verteilten sich auf alle Stadien recht gleichmäßig – am häufigsten wurden in jedem Stadium Diabetes, Myokardinfarkt, systolische Herzinsuffizienz und zerebrovaskuläre Erkrankungen berichtet.

Bezogen auf alle Stadien gab es wenige Krankenhausaufenthalte, bei denen die Patienten primär aufgrund ihres PCa eingewiesen wurden – am häufigsten Patienten mit mCRPC, bei denen auch die PCa-bedingte Aufenthaltsdauer am längsten war. Diese Patienten-Gruppe wurde ebenfalls am häufigsten aus irgendeinem Grund ins Krankenhaus eingewiesen. Lediglich 40 % Patienten mit mCRPC berichteten gar keinen Krankenhausaufenthalt, bei den Patienten mit nmHSPC, mHSPC, nmCRPC waren es entsprechend 61 % vs. 68 % vs. 69 %. Demzufolge nahmen mehr Patienten in den weiter fortgeschrittenen Krankheitsstadien ambulante Arztbesuche, Bildgebungsverfahren und Labortests in Anspruch.

Insgesamt waren die mittleren HRU-Kosten für die mCRPC-Patienten am höchsten – von diesen Kosten entfiel ein Großteil auf onkologische Therapien (55 %). Bei den Patienten mit anderen Krankheitsstadien betrugen die Kosten für onkologische Therapien höchstens 26 % der Gesamt-HRU-Aufwendungen.   

 

Fazit

Wie die Daten der vorliegenden nicht-interventionellen Register-Studie nahelegen, war die Progressions-Zeit vom mHSPC- und nmCRPC- in das mCRPC-Stadium kurz – die Patienten im mCRPC überlebten im Median 4 Jahre. Die Überlebenszeiten waren länger als erwartet, was möglicherweise auf die Selektion von Langzeitüberlebenden unter den prävalenten Fällen zurückzuführen sein könnte. Die Gesundheitskosten waren für die Patienten im mCRPC-Stadium am höchsten.