MRT zur Nachsorge bei
Hodentumoren
 

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MRT zur Nachsorge bei Hodentumoren – ist weniger mehr?

 

An welcher Stelle im Abdomen entwickeln sich Rezidive von Hodentumoren bevorzugt? Und reicht eine gezielte MRT der retroperitonealen Becken- und Lymphknoten als Nachsorgeuntersuchung aus? Diese Fragen untersucht eine norwegische Arbeitsgruppe um Erik Rud, Universitätsklinikum Oslo, in einer retrospektiven Studie mit 2.315 MRT-Berichten von Hodentumor-Patienten, die während der Nachsorge ein MRT des Abdomens erhielten.

 

Summary

 

Bei Patienten mit testikulären Keimzelltumoren werden nach der Orchiektomie über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren Nachsorgeuntersuchungen durchgeführt – obwohl die meisten Rezidive je nach histologischem Befund nach zwei Jahren bei Nicht-Seminomen und nach drei Jahren bei Seminomen auftreten. Unklar ist außerdem, an welcher Stelle im Abdomen sich die Rezidive bevorzugt entwickeln. Die European Society for Medical Oncology (ESMO) empfiehlt zur Verringerung der Strahlendosis das Retroperitoneum mittels Magnetresonanztomographie (MRT) zu untersuchen. Allerdings ist der Evidenzgrad für diese Empfehlung nur schwach (III). Bisher wurde in keiner Studie konkret untersucht, wo im Abdomen sich Rezidive von Hodentumoren im Wesentlichen ausbilden.

 

Eine Arbeitsgruppe um Erik Rud, Universitätsklinikum Oslo (Norwegen), wollte mit der vorliegenden retrospektiven Studie [1] herausfinden, an welcher Stelle im Abdomen Rezidive des Hodentumors primär entstehen. Außerdem sollte geprüft werden, ob eine gezielte MRT der Becken- und retroperitonealen Lymphknoten zur Überwachung ausreichen könnte, um u.a. die Strahlendosis zu reduzieren. Bei den in die Studie eingeschlossenen Patienten erfolgte die Nachsorge im Anschluss an die Hodentumor-Therapie mit einer MRT des Abdomens. Insgesamt wurden in die Studie Berichte von 2.315 MRT-Untersuchungen, die über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt wurden, eingeschlossen. Die dabei identifizierte Rückfallquote betrug 0,7% – darunter 75% Seminome und 25% Nicht-Seminome. Dabei waren in den meisten Fällen die retroperitonealen Lymphknoten (88%) betroffen, bei 12% die Becken- und Leistenlymphknoten. Weder in den parenchymatösen Organen noch in den knöchernen Strukturen wurden Metastasen gefunden. Da alle Rezidive des Abdomens in den Becken- und retroperitonealen Lymphknoten lokalisiert waren, könnte eine gezielte MRT dieser Bereiche für die Nachsorge ausreichen.

 

Details

 

Rationale

 

In der Regel entwickeln sich Rezidive der testikulären Keimzelltumoren in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Orchiektomie. Bei Seminomen treten die meisten Rezidive in den ersten drei Jahren auf, bei den Nicht-Seminomen umfasst dieser Zeitraum die ersten zwei Jahre. Trotzdem erfolgt das Follow-up bei Patienten nach Orchiektomie über fünf bis zehn Jahre.

 

Laut ESMO (European Society for Medical Oncology) sollte zur Verringerung der Strahlendosis nur das Retroperitoneum per MRT überwacht werden. Der Evidenzgrad dieser Empfehlung ist jedoch schwach (III). Es fehlen Studien, die eigens untersuchten, an welcher Stelle sich Rezidive von Hodentumoren primär entwickeln. Es gibt wissenschaftliche Publikationen, die zeigten, das sich Rezidive von Hodentumoren am häufigsten in den retroperitonealen Lymphknoten entwickeln.[2] In drei weiteren Arbeiten wurde über Metastasen in Leber, Knochen oder Lunge berichtet, nicht jedoch spezifiziert, ob diese mit Lymphknotenmetastasen einhergingen.[3-5]

 

Wie der Autor, Erik Rud erläutert, werden im Uniklinikum Oslo aktuell MRT-Untersuchungen des Abdomens zur Nachsorge von Patienten mit Hodentumoren gemäß Empfehlung der Schwedisch-Norwegischen-Hodentumor-Gruppe (SWENOTECA) durchgeführt. Diese empfiehlt, die Lymphknoten, alle abdominalen parenchymatösen Organe sowie die knöchernen Strukturen vom Zwerchfell bis zum proximalen Femur zu untersuchen.

 

Die Arbeitsgruppe verfolgte mit ihrer retrospektiven Studie zwei Ziele. Sie wollte herausfinden, wo genau im Abdomen Hodentumor-Rezidive bevorzugt entstehen und ob eine gezielte MRT der Becken- und retroperitonealen Lymphknoten zur Nachsorge der Patienten ausreicht, um u.a. die Strahlendosis zu reduzieren.

 

Methodik

 

In die retrospektive Studie wurden alle Patienten eingeschlossen, bei denen nach einer Hodentumordiagnose über einen Zeitraum von zwei Jahren MRT des Abdomens durchgeführt wurden. Es wurden alle Krankheitsstadien gemäß der Royal-Marsden-Stadieneinteilung eingeschlossen und entsprechend des SWENOTECA-Nachsorgeprogramms überwacht.

 

Die MRT-Ergebnisse wurden als negativ oder positiv eingestuft. Ein „echter positiver Befund“ lag bei einem positiven MRT-Befund und positiver Biopsie oder einem positiven zytologischen Befund vor.

 

Die Zeitspanne bis zum Rezidiv wurde definiert als die Anzahl der Monate, die nach Orchiektomie bis zur positiven MRT vergingen. Bei Patienten mit Rezidiv wurde das Alter, das klinische Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose und der histologische Typ des Karzinoms (Seminom oder Nicht-Seminom) erfasst. Außerdem wurde dokumentiert, ob Risikofaktoren für ein Rezidiv – Hodentumorgröße, Invasion des Rete-testis und Gefäßinvasion – vorhanden waren und ob eine adjuvante Therapie verabreicht wurde.

 

Ergebnisse

 

Häufigkeit

 

In die Studie wurden insgesamt Berichte von 2.315 MRT-Untersuchungen des Abdomens von Hodentumor-Patienten eingeschlossen und ausgewertet. Die MRT-Untersuchungen hatten sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckt. 16 Patient zeigten ein Rezidiv (0,7%; 95-KI 0,4-1,1). Bei den meisten Rezidiven handelte es sich um ein Seminom (75%, 12 Patienten). Von diesen wurden zehn als Tumor-Stadium I und zwei als Stadium II klassifiziert. Die verbleibenden 25% mit vier Patienten wiesen ein Nicht-Seminom mit Tumor-Stadium I auf. Fünf Patienten mit einem Seminom und ein Patient mit einem Nicht-Seminom hatten eine adjuvante Therapie erhalten.

 

Ort der Rezidiv-Manifestation

 

Ein Großteil der Rezidive entwickelte sich in den retroperitonealen Lymphknoten (88%, 14 Patienten). Bei zwei Patienten entwickelten sich die Rezidive in den Becken- und Leistenlymphknoten (12%). Dagegen wurden in anderen Bauchorganen oder knöchernen Strukturen keine Rezidive gefunden. Der mediane Durchmesser der Kurz- und Längsachse der Lymphknotenmetastasen lag bei 17mm (IQR=15-21, Range=8-33mm) bzw. 20mm (IQR=18-25, Range=10-55mm).

In 81% der Fälle wurde das Rezidiv durch eine positive Biopsie oder einen positiven zytologischen Befund bestätigt (13 Patienten). In 19% Fällen (3 Patienten), bei denen die Lymphknoten nicht für eine Biopsie oder zytologische Untersuchung zugänglich waren, erfolgte der Nachweis über eine 18F-Fluordeoxyglukose-Positronenemissionstomographie / Computertomographie-Untersuchung (FDG-PET/CT). Insgesamt wurden 143 MRT-Untersuchungen benötigt, um ein Rezidiv festzustellen.

 

Tumorgröße

 

Die mediane Hodentumorgröße betrug bei Patienten mit Rezidiv 38mm (IQR=22-58, Range: 17-73, in 2 Fällen unbekannt). Zwischen Seminomen und Nicht-Seminomen wurde diesbezüglich kein Unterschied beobachtet (p=0,3). Jeder zweite Seminom-Patient (n=6), der ein Rezidiv hatte, wies eine Tumorgröße von mehr als 40mm auf, bei 30% (n=4) der lag eine Invasion des Rete-testis vor. Vier Patienten waren von beiden Risikofaktoren betroffen. In keinem der Fälle mit einem Nicht-Seminomen lag eine Gefäßinvasion vor.

 

Zeitdauer bis zum Rezidiv

 

Zum Zeitpunkt des Rückfalls waren die Patienten im Median 41 Jahre alt (IQR=30-45, Range: 16-73 Jahre) – dabei wurde kein Unterschied zwischen Patienten mit Seminomen und Nicht-Seminomen festgestellt (p=0,3). Insgesamt betrug die mediane Zeit bis zum Rezidiv 11 Monate (IQR=7-20, Range: 4-96 Monate). Dabei war dieser Zeitraum bei den Seminomen fast doppelt so lange wie bei den Nicht-Seminomen (13 Monate, IQR=9-30 vs. 7 Monate, IQR=5-9; p=0,020). Bei zwei Patienten erfolgte der Rückfall drei Jahre oder später nach der Orchiektomie. Bei Patienten mit und ohne adjuvante Therapie unterschied sich die mediane Zeit bis zum Rezidiv nicht (p=0,3).

 

MRT oder CT?

 

Der deutlichste Vorteil einer MRT gegenüber einer Computertomografie (CT) ist, dass sie ohne ionisierende Strahlung und intravenöses Kontrastmittel auskommt. Patienten mit einem Hodentumor sind in der Regel jung und werden im Laufe des Follow-ups mehreren radiologischen Untersuchungen unterzogen. Frühere Studien haben gezeigt, dass eine MRT zur primären diagnostischen Abklärung von retroperitonealen Lymphknotenmetastasen genauso gut ist wie eine CT. Im Jahr 2018 empfahl die ESMO daher eine kontrastverstärkte CT zur anfänglichen Stadieneinteilung und eine MRT des Retroperitoneums im Follow-up nach der Behandlung.

 

Die Studienautoren weisen jedoch auf folgendes hin: Sollten extranodale Metastasen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose vorhanden sein, könnte bei diesen Patienten eine aggressivere Erkrankung vorliegen, die dann laut Empfehlung der Studienautoren mit einer kontrastverstärkten CT sorgfältiger überwacht werden sollte.

 

Einschränkungen der Studie

 

Laut Arbeitsgruppe weist die vorliegende Studie einige Einschränkungen auf. So konnte weder die Rate der Lungenmetastasen noch die des biochemischen Rezidivs beurteilt werden. Da sich die retrospektive Studie nur auf Patienten mit MRT des Abdomen bezieht, war es nicht möglich, die allgemeine Rezidivrate über die Zeit zu erfassen. Ferner wurden in der Studie nur wenige Rezidive identifiziert. Deshalb wäre es möglich, dass auch an unerwarteten Stellen Rezidive auftreten, wenn mehr Patienten eingeschlossen würden. Die Wahrscheinlichkeit für extranodale Metastasen bleibt allerdings äußerst gering (<1/2.351). Gemäß wissenschaftlicher Literatur können sich Rezidive auch in anderen Organen als den Lymphknoten entwickeln – wobei es allerdings keine Hinweise gibt, ob die extranodalen Metastasen alleine oder mit begleitenden Lymphknotenmetastasen auftreten. Letztlich war aufgrund des retrospektiven Studiendesigns die klinische Nachuntersuchung unspezifischer Befunde nicht standardisiert.

 

Fazit

 

Da in der vorliegenden Studie alle Rezidive von Hodentumoren in retroperitonealen oder Beckenlymphknoten auftraten, schlussfolgern die Studienautoren, dass zur Nachsorge von Hodentumor-Patienten, ein gezielte MRT der Becken- und retroperitonealen Lymphknoten ausreichen könnte.

REFERENZEN