Der UroBlog von Dr. Eva
Hellmis (Duisburg)
 

Rückblick und Ausblick Immuntherapie - Fazit aus der Praxis

 

Nivolumab, der erste immunmodulierende Programmed-Cell-Death-1-Rezeptor -Antikörper wurde im Mai 2016 für die Behandlung des Nierenzellkarzinoms zugelassen1.

 

Hierzu damals der GBA zusammenfassend: „Nivolumab ist zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Nierenzellkarzinoms in der Zweitlinie zugelassen. Für die frühe Nutzenbewertung in diesem Anwendungsgebiet legte der pharmazeutische Unternehmer die randomisierte, offene, aktiv kontrollierte Zulassungsstudie Check Mate 25 mit insgesamt 821 Erwachsenen vor, die eine antiangiogenetische Vortherapie erhalten hatten. In der Behandlungsphase erhielten die Patienten entweder Nivolumab oder Everolimus. Patienten mit einem ungünstigen Wert in einem Prognose-Score (Motzer-Score) profitierten mehr von einer Behandlung mit Nivolumab als Patienten mit einem günstigen oder intermediären Wert im Motzer-Score, aber auch letztere profitierten noch deutlich von Nivolumab.


Vor diesem Hintergrund kam der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass bei Nivolumab für die Patientengruppe a) ein Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen vorliegt.“
Zulassungsstudie Sharma et al. 2017

 

Weiterhin schreibt der GBA vor: „Die Einleitung und Überwachung der Behandlung mit Nivolumab darf nur durch in der Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom erfahrene Fachärzte für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie sowie durch Fachärzte für Innere Medizin und Nephrologie und weitere, an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmende Ärzte anderer Fachgruppen erfolgen.“

 

Das war der Anfang und es folgten weitere Check-Point-Inhibitoren und es hagelt seitdem Zulassungen.

 

Mittlerweile ist Nivolumab auch für die Zweitlinientherapie des metastasierten Urothelkarzinoms nach vorheriger Platin-haltiger Therapie zugelassen1.

 

Pembrolizumab (Link zur Zulassungsstudie: Bellmunt et al. 2017 und Balar et al. 2017)

 

Pembrolizumab ist als Monotherapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Urothelkarzinoms nach vorheriger Platin-basierter Therapie bei Erwachsenen angezeigt und als Monotherapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Urothelkarzinoms bei Erwachsenen, die nicht für eine Cisplatin-basierte Therapie geeignet sind und deren Tumoren PD-L1 mit einem kombinierten positiven Score (CPS)≥ 10 exprimieren.2

 

Atezolizumab (Link zur Zulassungsstudie: Rosenberg et al. 2017)

 

Atezolizumab ist seit Oktober 2017 zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierenden Urothelkarzinoms im Verkehr, nach vorheriger platinhaltiger Chemotherapie oder die für eine Behandlung mit Cisplatin als ungeeignet angesehen werden3. In der Erstlinie muss der IC Score >5 % betragen.

Dann folgten schon die Kombinationstherapien:

 

Nivolumab/Ipilimumab
11.01.2019 Die Europäische Kommission hat der Kombination von Nivolumab und Ipilimumab als Erstlinientherapie für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) mit intermediärem oder ungünstigem Risikoprofil die Zulassung erteilt4. Damit wurde erstmals eine immunonkologische Kombinationstherapie für Patienten mit dieser Art der Tumorerkrankung in der Europäischen Union zugelassen.

 

Pembrolizumab ist ganz aktuell seit September 2019 in Kombination mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Axitinib zur Erstlinienbehandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (RCC) bei allen Risikogruppen bei Erwachsenen angezeigt.2

Derzeitiger Zulassungsstatus1-4

 

 

Entität First Line Second Line
Nierenzellkarzinom Ipilimumab/Nivolumab,
Pembrolizumab/Axitinib
Nivolumab
Urothelkarzinom Pembrolizumab
Atezolizumab
Nivolumab
Pembrolizumab
Atezolizumab

 

 

Mein Fazit:

 

Die Immuntherapie hat unwiderruflich Einzug in unseren Alltag gehalten und die Kollegen, die bisher medikamentöse Tumortherapie durchgeführt haben, müssen sich nunmehr auf diese Therapien umstellen, bzw. einlassen. Viele haben schon Erfahrung gesammelt und hier sei nun meine kritische Stellungnahme erlaubt:

 

Immuntherapie ist relativ einfach durchführbar. Die zu erwartenden Nebenwirkungen sind wesentlich geringer an Häufigkeit und Stärke als bei den alternativen Tumortherapien wie Chemotherapie oder den Targeted Substanzen. Ausnahme: Ipilimumab (für genaue Angaben siehe Fachinformationen 1-4).

 

Immuntherapie kann für Behandler und Patienten sehr befriedigend sein! Insbesondere wenn ein dauerhaftes Ansprechen und ggf. sogar eine Komplettremission eintritt.
Es ist die einzige derzeit verfügbare Therapie, bei der eine signifikante Zahl an Komplettremissionen erwartet werden kann (Sharma et al. 2017; Bellmunt et al. 2017; Balar et al. 2017; Rosenberg et al. 2017).

 

Die Compliance des Patienten stellt den wichtigsten Faktor für ein erfolgreiches Therapiemanagement dar.

 

Es sprechen nur 25-30 % in den meisten Fällen an! Das frühzeitige Erkennen von Nichtansprechen/ Progression und Umstellen ist meines Erachtens von herausragender Bedeutung bei den i.d.R. metastasierten Patienten mit teilweise sehr schlechter Prognose, d.h. rechtzeitige und engmaschige Bildgebung ist erforderlich.

 

Oftmals ist die Bildgebung allerdings nicht eindeutig.
Wie erkenne ich eine Hyperprogression? Wie erkenne ich eine Pseudoprogression?
Habe ich Zeit die nächste Bildgebung abzuwarten? Ist mein Radiologe fit genug und befundet nach immunrelated-Recist-Kriterien?
Entgleitet mir der Patient onkologisch, wenn ich nicht früh genug umstelle?

 

Die Awareness für immunvermittelte Nebenwirkungen im Praxisalltag ist eine große Herausforderung.

 

Das Praxisteam muss für diese Therapien gut geschult sein und den Behandler unterstützen.

 

Ein Management durch digitale Lösungen mit einer z.B. APP, in der der Patient seine Befindlichkeit eingibt und die kritische Adverse Events meldet wäre extrem hilfreich.

 

Die Kombinationstherapien mit den Tyrosinkinaseinhibitoren stellen eine neue Herausforderung dar: welche Nebenwirkung ist immunvermittelt, welche Kinase-vermittelt?

 

Vor allem bei gemeinsamen Nebenwirkungen wie der Diarrhoe kommen beide Substanzen als Verursacher in Frage. Ein möglicher Weg zu Unterscheidung der verursachenden Substanz wäre meiner Meinung nach folgendes Vorgehen: Die Diarrhoe sollte sich aufgrund der kurzen Halbwertszeit der TKIs nach Aussetzen der Substanz i.d. Regel sofort bzw. sehr schnell bessern. Wenn nach 2-3 Tagen keine Besserung eintritt, ist eine immunvermittelte Ursache anzunehmen und man sollte dann mit Kortison einsteigen.

 

Eigentlich führt das wieder zu der Erkenntnis, dass solche Therapien in einer Einzelpraxis kaum zu stemmen sind. Man braucht interdisziplinäre und fachgleiche Unterstützung, ein qualifiziertes (!) Tumorboard an seiner Seite, eine gute Klinik im Rücken und vor allem ein gutes Zeitmanagement, das es ermöglicht, das Management in den Praxisalltag einzubauen.

 

An dieser Stelle sei die Anfrage erlaubt: Wer glaubt eine Lösung für das Zeitmanagement gefunden zu haben, den bitte ich, mich umgehend zu kontaktieren!!

 

Trotzdem empfinde ich die Therapie mit den Check-Point-Inhibitoren verglichen mit einer Chemotherapie doch als wesentlich leichter und einfacher und bei einem echten Langzeitansprechen ist es oft wie ein kleines Wunder, wie gut der Patient von dieser gut verträglichen Therapie profitieren, wie sehr sich sein Allgemeinzustand bessern und wie gut seine Lebensqualität wieder werden kann.

Das ist meiner Erfahrung nach weder in der Therapie mit den Targeted-Substanzen, den Kinasen u.a. noch bei der Chemotherapie in der Regel zu erreichen gewesen. Ich musste häufig die Dosis reduzieren um die Patienten zur weiteren Einnahme zu motivieren, viele Umstellungen erfolgten wegen der Nebenwirkungen und der Patient wirkte auf mich durch die laufende Therapie irgendwie immer gezeichnet.

 

Ich bin gespannt, wie sich das jetzt in der Zukunft mit den Kombinationen darstellen wird - auf jeden Fall wieder mal eine weitere Herausforderung, aber

„Einfach kann schließlich jeder!“

 

Lesenswert zu dem Thema ist folgender Artikel:

 

Therapie mit PD-1/PD-L1- und CTLA-4-Immun-Checkpoint-Inhibitoren Immunvermittelte Nebenwirkungen. Erschienen in Der Urologe, Ausgabe 5/2018, Autoren: Prof. Dr. M.-O. Grimm, H. Oppel-Heuchel, S. Foller

 

Für vollständige Angaben bitte Fachinformation aufrufen:

 

  1. Nivolumab
  2. Pembrolizumab
  3. Atezolizumab
  4. Ipilimumab