Uro-Blog von
Dr. Timo Strunk
(Köln)

Nichtärztliche Praxisassistent*in

in der Urologischen Praxis – Erfahrungsbericht

 

Die Versorgung von Menschen mit gesundheitlichen Problemen ist Teamarbeit. Daran dürfte es keinen Zweifel geben. Und es gibt auch keinen Zweifel daran, dass eine solide Ausbildung und Qualifikation Voraussetzung für eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung von Patient*innen ist.

 

Sich das Ziel medizinischer Handlungen immer wieder vor Augen zu führen, ist extrem wichtig. Nicht nur Patient*innen, sondern auch Politiker und Professionals unterliegen immer wieder der Fehlannahme, dass eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung, wie sie z.B. im Sozialgesetzbuch V verankert ist, den Einsatz von Ärzt*innen erfordere.

 

So kam es in der Vergangenheit dazu, dass in Krankenhäusern verschiedene diagnostische und therapeutische Tätigkeiten, die z.B. üblicherweise von Gesundheits- und Krankenpfleger*innen ausgeführt wurden, in den Tätigkeitsbereich der Ärzt*innen verlagert wurden. Dazu kamen dann noch stetig bis zum heutigen Tag zunehmende Dokumentations- und Aufklärungspflichten, sowie eine veränderte Arbeitszeitrechtslage durch die EuGH-Arbeitszeitrichtlinie.

 

Die vielfältigen Entwicklungen im Krankenhaussektor der letzten Jahrzehnte, z.B. die geänderte Krankenhausfinanzierung, die Privatisierung mit notwendiger Leistungsausweitung, sowie gesteigerte Qualitätsansprüche und der demographische Wandel setzten Ärzt*innen unter Druck. Während Teile des ärztlichen Personals eine Perspektive in der ambulanten Medizin sahen, flüchteten andere in Arbeitsfelder außerhalb der kurativen Medizin.

 

Nun veränderte sich allerdings auch die ambulante Medizin in den letzten Jahrzehnten eklatant. Das blieb auch dem Nachwuchs in den Kliniken nicht verborgen und gepaart mit einem Stadt-Land-Gefälle zeichnet sich schon seit geraumer Zeit ein Ärzt*innenmangel ab, dessen Konsequenzen in Zukunft noch unangenehm spürbar werden dürfte.

 

Nachdem man die Honorierung im ambulanten Sektor ja schon an vielen Stellen budgetiert und damit bei gleichzeitiger Leistungspflicht Druck ausgeübt hatte, erinnerten sich Verantwortliche scheinbar an „alte Zeiten“ und schenkten der Tatsache Beachtung, dass man doch nicht für jede erdenkliche medizinische Tätigkeit einen Arzt oder Ärztin braucht. Insbesondere die Besuche im häuslichen Umfeld könnten doch vielleicht von einer qualifizierten Person durchgeführt werden und damit Entlastung geschaffen werden. Das war die Geburtsstunde der EVA, der entlastenden Versorgungsassistenten.

 

Auch wenn Hausbesuche in der professionellen Diskussion scheinbar hauptsächlich mit Hausärzt*innen in Verbindung gebracht wurde und die Idee der entlastenden Versorgungsassistent*innen auf diese Arztgruppe zugeschnitten war, wurde dann doch im Verlauf auch für Fachärzt*innen eine Möglichkeit geschaffen, eine*n EVA zu beschäftigen.

 

„Wie geil ist das denn?“ – war mein erster Gedanke, als ich von der Möglichkeit erfuhr, Teile meiner ärztlichen Tätigkeiten an qualifiziertes Personal delegieren zu können.

 

Mittlerweile ist sind EVAs in vielen Praxen etabliert und dürften in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Eine wirklich sinnvolle Entwicklung, wie ich finde.

 

Aber wie ist das jetzt mit den EVAs, die eigentlich besser als NäPas bekannt sind?

 

Nun ja, NäPa steht für Nichtärztliche*n Praxisassistent*en. Diese Bezeichnung wird im Bereich der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für eine*n nichtärztliche*n, speziell weitergebildete Mitarbeiter*in verwendet. Die zu Grunde liegende Berufsbezeichnung der Ärztekammern lautet jedoch EVA.

 

NäPa, wenn auch primär für den hausärztlichen Bereich gedacht/geplant, können aber auch im fachärztlichen Bereich tätig werden. Urolog*innen gehören sicher zu den Fachärzt*innen, die häufig im häuslichen Bereich und in Pflegeheimen tätig sind oder tätig sein könnten.

 

Die dabei mit Abstand am häufigsten durchgeführte Tätigkeit ist ein Katheterwechsel, sei es transurethral oder suprapubisch bzw. die Lösung von „Katheterproblemen“. Je nach Ausrichtung einer Praxis werden aber auch Blutentnahmen, Injektionen, Beratungsgespräche etc. im häuslichen Umfeld vorgenommen.

 

Es dürfte auch kein Geheimnis sein, dass Hausbesuche wann immer es möglich ist, von vielen Ärzt*innen vermieden werden. Das liegt schlicht und ergreifend an der Vergütung. Gerade im ländlichen Bereich, aber auch im städtischen Umfeld, spiegelt die Vergütung für Hausbesuche nicht im Ansatz den Aufwand und die Kosten wider. Nur durch teilweise absurde Mischkalkulationen und die besser vergütete Versorgung von Privatversicherten Patient*innen lässt sich das Ganze finanzieren und der Versorgungsbedarf decken.

 

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass alleine schon die Anfahrt zu einem Pateinten, der nur ca. 10 km von der Praxis entfernt wohnt, einen Zeitbedarf von 30 Minuten (Hin- und Rückfahrt) mit sich bringt. Dazu kommt die Behandlungszeit. In dieser Zeit könnte man in der Praxis ca. 6-7 Patienten behandeln, rechnet man mit einer durchschnittlichen Behandlungszeit von 7 Minuten. Sind 7 Minuten im Bereich der „Kassenmedizin“ realistisch? Wer Zweifel daran hat, kann ja mal nachrechnen.

 

Hier kann tatsächlich eine NäPa Großartiges leisten. Die Tätigkeiten, die im häuslichen Umfeld von urologischen Praxen auszuführen sind, werden sehr häufig in Praxis sowie bereits durch Medizinische Fachangestellte ausgeführt und müssen gar nicht gelehrt werden. Die Ausbildung zur EVA umfasst dazu noch sehr viele weitere Inhalte, die „außer Haus“ dann hilfreich sind.

 

An dieser Stelle verweise ich noch auf die Rechtsgrundlage, die eine Delegation von ärztlichen Leistungen nach Nichtärztliche Mitarbeiter*innen überhaupt ermöglicht:

 

Als Anlage 24 zum Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) wurde die „Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V“ geschlossen. Dort ist definiert, welche Leistungen vom Arzt höchstpersönlich zu erbringen sind, und welche delegierbar sind.

 

Der Einsatz einer NäPa entlastet somit klar das ärztliche Personal, sowie den Praxisbetrieb generell, denn häufig sind die Patient*innen ja gebrechlich und müssen mit erhöhtem Aufwand (z.B. durch Transport / Lagerung / Begleitung) versorgt werden, wenn sie in der Praxis behandelt werden müssen.

 

Um Entlastung durch eine NäPa zu nutzen, muss man nun entweder entsprechend qualifiziertes Personal einstellen, oder aber eine medizinische Fachangestellte qualifizieren. Ggf. sind regionale Besonderheiten bei KVen oder Ärztekammern zu beachten. Eine Vergütung der NäPa ist derzeit erst nach abgeschlossener Ausbildung und Anmeldung bei der zuständigen KV möglich. Da Praxiseinsätze jedoch zur Ausbildung gehören, können entlastende Einsätze je nach Ausbildungsstand bereits vorab vom Arzt genutzt werden.

 

Als Teil einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft beschäftigen wir seit ca. Oktober 2021 eine Mitarbeiterin als NäPa. Zuvor hat sie die Ausbildung zur EVA bei der Ärztekammer Nordrhein absolviert. Die Ausbildung erfolgte nach Anmeldung bei der Ärztekammer Nordrhein fast ausschließlich virtuell. Sie war modular aufgebaut, wobei je nach Vorkenntnis auch einzelne Module angerechnet werden konnten. Dazu kamen praktische Einsätze, die wir dann zusammen gemacht haben. Dabei konnten wir nochmal unsere ärztlichen Erfahrungen beim Arbeiten „außer Haus“ weitergeben und Besonderheiten für die eigenständige Tätigkeiten mitgeben. Wichtig an dieser Stelle ist, dass der NäPa immer ein ärztlicher Ansprechpartner in „Rufweite“ zur Verfügung stehen sollte, falls es zu Problemen kommt oder Fragen auftauchen.

 

Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung konnte dann bei der KV, in unserem Falle KV Nordrhein, eine Tätigkeits- und Abrechnungsgenehmigung beantragt werden.

 

Seit dem Vorliegen der Genehmigungen übernimmt unsere NäPa routinemäßige Katheterwechsel bei Patient*innen unserer Praxis im häuslichen Umfeld oder in Pflegeheimen, sowie ggf. Blutentnahmen und Injektionen. Die Patient*innen sind sehr zufrieden, da ihnen Transporte und Wartezeiten in der Praxis erspart bleiben. Die Praxisinhaber sind sehr zufrieden, da viel mehr Zeit für Tätigkeiten bleibt, die ureigentlich ärztlich und nicht delegierbar sind. Die NäPa ist zufrieden, weil sie viel eigenständiger und eigenverantwortlicher arbeiten kann. Sie hat sogar einen Dienstwagen, den sie privat nutzen kann – klimafreundlich mit Strom betrieben.

 

Die Einführung der NäPa ist eine Verbesserung, die ich nicht mehr missen möchte!