Der UroBlog von Dr. Eva
Hellmis (Duisburg)
 

N+ M1- PCa: Systemische Erkrankung – immer systemische Therapie?

 

So haben wir es gelernt: einmal systemisch – immer systemisch

 

Müssen wir umdenken? Die Antwort ist: Ja, absolut!

 

Zu Beginn meiner Praxistätigkeit 1998 kamen die vielen betroffenen Männer stereotyp und holten sich ihre 3-Mo-Depot-LHRH Spritzen ab. Die Behandlung war für Jung und Alt, für jeden Prostata-Tumor quasi die gleiche. Man ging streng Stadien-orientiert vor. Eine individualisierte oder personalisierte Medizin eher die seltene Ausnahme.

 

Seien wir doch ehrlich: Es war einfach und alternativlos und wir haben uns um Lebensqualität und therapiebedingte Nebenwirkungen auf Leib und Seele nicht wirklich gekümmert. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Der Patient kommt häufig schon vororientiert in unsere Sprechstunde und will für sich das beste Verfahren erfragen:

 

Das fängt bei der Diagnostik an:

 

Die Entwicklung moderner diagnostischer Methoden, wie das multiparametrische MRT, das whole-body-MRT, den PSMA-PET- Scan, den FDG-PET-Scan.

 

Und geht bei der Therapie weiter:

 

Neue, innovative Operationstechniken sind verfügbar geworden, wie z.B. die gesamte Laparoskopie, die Robotic, oder die PSMA guided Metastasenchirurgie.

 

Im Bereich der Strahlentherapie müssen wir moderne, fokale Behandlungsstrategien, wie die Gamma Knife-Behandlung, die Hypofraktionierung oder alternative Strahlenprinzipien, wie die Photonentherapie in unsere Therapiestrategien einbauen.

 

Die Entwicklung ständig neuer Therapieansätze, wie die Lu-PSMA Therapie, die derzeit als letzte Therapieoption möglich ist und ggf. in den nächsten Jahren ihren Platz in der Sequenz weiter vorne erstreiten wird.

 

Fokale und schonende Therapieverfahren belegen immer mehr Platz auf den internationalen und nationalen Kongressen:

 

  • Radiofrequenzablation
  • Kryotherapie
  • Hifu
  • Photodynamische Laserverfahren (z.B: Tookad)

 

Zytoreduktive Ansätze, wie die Salvage-Prostatektomie bzw. Salvage-Lymphadenektomie fordern ihre Berechtigung in der Therapiesequenz.

Patrick Walsh hat 2015 auf dem Prostate Cancer World Congress in Australien folgendes gesagt: “Eradication of the prostate in advanced disease improves survival even if it does not cure the patient” und ich glaube er hat Recht. Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass eine bessere Krankheitskontrolle und frühzeitige Intervention zur Vermeidung von Progression und Metastasierung letztendlich neben einer besseren Lebensqualität auch ein verlängertes Überleben bedeuten wird.

 

Das bedeutet: Patienten mit cN+ und Oligometastasierung brauchen von Anfang an einen multimodalen Therapieansatz.

 

Aus den Daten der Stampede Studie wissen wir, dass es einen signifikanten Vorteil für die progressionsfreie Zeit beim oligometastasierten high risk Patienten gibt, wenn man zur Chemohormontherapie im mhsPCa zusätzlich die Prostata bestrahlt. Um einen Überlebensvorteil zu zeigen sind die Daten leider noch zu unreif.

Aber wir haben ja auch eine große Anzahl von Patienten, die erst im Verlauf, nach kurativer Therapie klinisch und / oder radiologisch neue Tumoraktivitäten aufzeigen. Wann fangen wir dann mit einer Therapie an und wenn ja, mit welcher?

 

Neue Stadien werden eingeführt, die uns eine Stratifizierung erleichtern sollen:

 

  • Nicht fernmetastasiert also nf-M0?
  • Regionale LK-Filiae versus Nicht-regionale LK-Filiae außerhalb des Beckens als Differenzierung für eine Therapie, also limited cN1
  • Es fallen Begriffe wie Mikrometastasierung, Oligometastasierung.

 

Eine internationale Arbeitsgruppe unter der Führung der Mailänder Kollegen hat versucht Hinweise zu erarbeiten, die erkennen lassen, welche die optimalen Kandidaten für eine Salvage-Lymphadenektomie bei aufgetretener LK-Metastasierung nach Prostatektomie sind und haben ein Nomogramm entwickelt, das man benutzen kann, um für den individuellen Fall eine Risikokalkulation durchzuführen (siehe Kalkulator im Supplement der Publikation Fossati et al. 2019).

 

Was möchte der Betroffene?

 

Der Patient wünscht sich therapiefreie Zeit, am besten ohne Nachteil bzgl. der Krebskontrolle. Auch wenn es z.B. nur eine Hormonbehandlung ist, greift sie doch massiv in die Lebensqualität und Psyche des Mannes ein. Die Auswirkungen einer Kastration auf Soma und Psyche bei den überwiegend langjährigen Behandlungsverläufen sind für den Patienten und den Behandler nicht zu unterschätzen. Wenn hier die Alternative eine operative Entfernung der betroffenen Metastasen wäre, würden viele, insbesondere jüngere Betroffene, das einer Hormonbehandlung vermutlich vorziehen.

 

Bei anderen Entitäten wissen wir aus robusten Daten, dass die Patienten von einer Metastasenresektion profitieren. Beim Nierenzellkarzinom versuchen wir immer möglichst Metastasen komplett zu entfernen, weil wir dadurch den Beginn einer belastenden systemischen Therapie nach hinten verschieben können.

Beim Urothelkarzinom wissen wir aus klinischen Daten, dass wir bei einer extended-field Lymphadenektomie gegenüber einer limited-field Lymphadenektomie einen 5-Jahresvorteil für cancer-specific survival von 76% vs. 65% erzielen können.

 

Beim Prostatakarzinom sind die Daten leider nicht so konklusiv. Wir müssen warten, bis prospektive, randomisierte Studien die Antworten geben werden.
Eins ist sicher: Therapiestrategien wie „one size fits all“ sind eindeutig out! Der multimodale Therapieansatz dagegen in!


Individualisierte und personalisierte Therapien werden die Zukunft der Tumortherapie bestimmen und es wird immer komplexer und schwieriger, den Überblick nicht zu verlieren.

 

Wenn wir hier dauerhaft hohe Qualität bringen wollen, dann werden wir niedergelassenen, onkologisch tätigen Urologen wahrscheinlich tatsächlich unsere Patienten in regionalen oder überregionalen Tumorboards bzw. Center of Excellence interdisziplinär führen müssen, um die beste Sequenz zu finden und optimale Therapieentscheidungen treffen zu können. Also doch ASV???
Liebe Kollegen es bleibt spannend!

 

Eva Hellmis

REFERENZEN