Der UroBlog von Dr. Jörg
Klier (Köln)
 

ASV – Wie machen wirs in Köln?

 

Ein erster Erfahrungsbericht nach 5 Monaten aktiver ASV-Teilnahme

 

Patienten mit seltenen oder komplexen schweren Erkrankungen sollen von interdisziplinären Teams versorgt werden, egal ob im Krhs. oder in der Praxis. Soweit das Ziel bei der Einführung der ASV vor immerhin 7 Jahren und Aufnahme urologischer Erkrankungen in 2018.

 

Sehr viel ist in der urologischen Community bisher nicht passiert. Vieler Orts fand man diverse Fortbildungsveranstaltungen, doch schnell wurde klar, dass immense bürokratische und administrative Auflagen zu erfüllen sind, bevor es überhaupt losgehen kann. Weitere Hinderungsgründe sind ein eingeschränktes Patientenspektrum (systemische Therapie (ausgenommen Hormontherapie) und /oder Strahlentherapie), eine intersektorale Kooperationserfordernis (Persönliche Teilnahme an der Tumorkonferenz) und ein Befund- und Behandlungsdokument, auf das alle Kernteammitglieder zeitnah zugreifen können.

 

Aber die ASV bietet auch Chancen:

 

  • Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist aus rein medizinischer Betrachtung der optimalste Standard für eine moderne patientenzentrierte Versorgung.
  • Durch die intersektorielle Zusammenarbeit kann ich schneller auf kooperierende Fachgruppen zugreifen.
  • Die Honorierung erfolgt extrabudgetär, wenn auch nicht ganz so transparent seitens der gesetzlichen Krankenkassen, wie man es sich wünschen würde.
  • Es besteht die Möglichkeit der Leistungserstattungen der GKV für Leistungen die bisher nicht erstattet wurden. Dadurch kommt es zu einer Erweiterung des medizinischen Spektrums.
  • Es finden sich keinerlei KV-Regularien wie Budgetierung oder Regress. Bereits bestehende Kooperationen können weiterentwickelt und nachhaltig gefestigt werden.

 

Dies war auch unsere Motivation uns an der ASV zu beteiligen, als die urologische Universitätsklinik Köln mit Herrn Prof. Heidenreich auf uns zukam und uns anbot, Teil des Kernteams zu werden (s. Abbildung 1). Die Öffnung der Krankenhäuser für den ambulanten Bereich wird weiter zunehmen, daher stellte sich von jeher die Frage ob agieren oder reagieren.

 

Als Teil des Kernteams haben wir die Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Der Aufbau administrativer, personeller und organisatorischer Strukturen wurde durch die Uniklinik umgesetzt. Somit wurde uns ein erheblicher Arbeitsaufwand abgenommen.

uroblog-asv
Abb. 1

 

Aktuell beteiligen sich drei urologische Praxen an dem Kölner ASV-Modell der urologischen Universitätsklinik.


Die Teilnahme am Tumorboard ist via Videotelefonie praxisnah abzubilden. Die Übersendung von Röntgenbildern sicher noch zu optimieren. Bisher muss dies noch händisch übermittelt werden. Die Abrechnung erfolgt simpel im Praxissoftwaremodul ohne Mehrkosten. Es muss hierzu nur ein ASV-Unterfall angelegt werden. Die Kostenstelle ist die KV, welche ihrerseits mit den Kassen abrechnet. Die entstehenden Bearbeitungsgebühren sind moderat. In 2017 wurden für Leistungen der ASV von den Krankenkassen im Krankenhaus gut 219 Millionen Euro aufgewandt. An die niedergelassenen Ärzte flossen 6,6 Millionen Euro1.

 

Für die Klinik naturgemäß von größerer Bedeutung als in der Praxis ist die persönliche Leistungserbringung der teilnehmenden Ärzte. Hier haben wir es strukturbedingt eindeutig leichter. Dennoch lauern die Fallstricke in der täglichen Umsetzung. Ist der Patient einmal in die ASV eingeschrieben, so dürfen sowohl die Rezepte als auch Überweisungsträger nur mit der ASV-Teamnummer und der individuellen Arztnummer des ermächtigten ASV-Arztes versehen werden; will man einen Zahlungsausfall, oder wohlmöglich Regress vermeiden. Und nur allzu oft wird einem im alltäglichen Sprechstundenablauf zwischen Tür und Angel mal eben von der Helferin ein Rezept zu Unterschrift vorgelegt, welches eben dann doch nicht den Anforderungen der ASV-Richtlinie entspricht. Hier gilt es das Praxispersonal im Vorfeld gut zu unterrichten und dies am besten im QM-System der Praxis mit einer Handlungsanweisung zu hinterlegen.

 

Die derzeitig größte Hürde stellt sicher das gemeinsame Befund- und Behandlungsdokument dar. Aktuell kann es nur in Papierform erfolgen, da zu viele unterschiedliche Praxis-, und Klinik-EDV-Systeme an den einzelnen Standorten verwendet werden. Hier arbeiten wir aber an einer gemeinsamen EDV-gestützten Internetlösung.

 

Insgesamt wird das Modell der intersektoralen, interdisziplinären engen Zusammenarbeit zwischen Universitätsklinik und urologischen Praxen zur optimalen Betreuung der Patienten von diesen sehr positiv aufgenommen. Viele Patienten sind durch das Internet mittlerweile gut informiert. Die Einholung einer Zweitmeinung selbst bei so banalen Dingen wie einer bakteriellen Zystitis stellt in einer Großstadt mittlerweile keine Seltenheit mehr dar. Diesem Umstand ist Rechnung zu tragen.


Mal davon abgesehen, dass es im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium einer Tumorerkrankung sehr wohl vernünftig ist, mal jemanden anderes auf die Therapieentscheidung schauen zu lassen. Manchmal ist man dann eben doch Betriebsblind.

 

Ein weiterer positiver Aspekt der ASV ist sicher die Möglichkeit zur Erweiterung des medizinischen Spektrums. Als Bsp. sei die PET-CT-Diagnostik beim Prostatakarzinompatienten genannt, welche im Rahmen der ASV abgerechnet werden kann. Grundsätzlich werden alle Diagnostik- als auch Behandlungsmaßnahmen sowie der zusätzliche Aufwand für die Palliativversorgung und Gespräche im Zusammenhang mit einer peroralen zytostatischen Therapie analog dem EBM oder der Onkologievereinbarung abgerechnet, gemäß der regionalen Euro-Gebührenordnung (s. hierzu Abb. 2). Daraus lässt sich schnell erkennen, welchen pekuniären Vorteil ein ASV-Fall gegenüber der normalen KV-Honorierung auf der Basis eines Regelleistungsvolumens erbringt.

euro-gebuehrenordnung
Abb. 2

 

Trotz der administrativen, personellen und organisatorischen Herausforderungen, die an die Entwicklung eines ASV-Teams gestellt werden, macht es aus unserer Sicht sehr viel Sinn, dieses gemeinsam in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit einer urologischen Klinik umzusetzen und werden diesen Weg auch in Zukunft mit Leben füllen.

 

Zusammenfassend kann man die ASV mit folgenden 6 Punkten in der Kürze beschreiben:

 

  1. eingeschränktes Patientenspektrum
  2. Sehr aufwendige bürokratische Auflagen, gerade zu Beginn
  3. Chance für eine Intensivierung der sektorübergreifenden Zusammenarbeit (politisch gewollt)
  4. Ersetzt bisher nicht die Onkologievereinbarung
  5. Ergänzung der bisherigen Uroonkologie, insbesondere Leistungen, die in der GKV nicht erstattet werden
  6. Keine KV-Regularien (Budgetierung, Regressierung)
REFERENZEN