DER UROBLOG

Der UroBlog von Dr. Eva Hellmis (Duisburg)

 

Wie zufrieden sind Urolog:innen eigentlich und welche Rolle spielt das Geschlecht?

 

Laut Ärztestatistik der Bundesärztekammer vom 31.12.2021 gab es im Dezember 2021 in Deutschland insgesamt 6467 Urolog:innen, davon 3355 ambulant tätige Kolleg:innen (52%).

Von diesen wiederum sind 2742 niedergelassen und 613 angestellt im ambulanten Bereich.

In Kliniken arbeiteten 2788 Kolleg:innen, davon 412 in leitender Position und 120 gleichzeitig in der Praxis.(2)

 

Schaut man auf die Urologinnen, so waren 1335 im Dezember 2021 berufstätig. Davon arbeiteten 544 im ambulanten Sektor, 316 waren niedergelassen und selbstständig, 228 als angestellte Fachärztin für Urologie in der Praxis oder im MVZ tätig. Das bedeutet, dass mittlerweile der Anteil der Urologinnen auf 20,6% gestiegen ist.

683 Kolleginnen arbeiteten in der Klinik, wobei jedoch nur 20 eine leitende Position innehatten und ebenfalls 18 gleichzeitig in der Praxis tätig waren, 62 Kolleginnen waren in Gesundheitsämtern angestellt tätig.(2)

 

Im ZI-Klimaindex, in dem regelmäßig aktuelle Daten bzw. Befragungen von Vertragsärzt:innen veröffentlicht werden, zeigt der aktuelle Index von 2021 die Ergebnisse der Befragung von niedergelassenen Urolog:innen im Jahr 2019, ob sie mit der Gesamtsituation als Vertragsarzt zufrieden seien: nur 42% antworteten mit „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“, und 58% bewerteten die Situation mit „weniger gut“ oder „schlecht“.

Die Wochenarbeitszeit wurde mit 53 h angegeben, davon entfielen 36h auf Patientenbehandlung, 1h für Notfalleinsätze, 8 h Tätigkeit ohne Patienten, 2h für Fortbildung und 5 h für Praxismanagement.

Diese Abfragen betreffen allerdings nur die niedergelassenen Vertragsärzte und nicht die klinisch tätigen Urolog:innen.(1)

 

Die nachfolgend beschriebene Erhebung kann diese Lücke füllen.

Im Oktober 2022 erschien in „Die Urologie“ ein Originalartikel zum Thema „Einfluss der zunehmenden Feminisierung im Gesundheitswesen auf die Urologie“

Der Schwerpunkt dieser Arbeit wurde insbesondere auf genderspezifische Unterschiede im beruflichen Status, bei Arbeitszeitmodellen, in der Spezialisierung und bei Aufstiegschancen sowohl klinisch tätiger Urolog:innen als auch durch das Abfragen spezieller Aspekte der Niederlassung bei ambulant tätigen Urolog:innen gelegt.

 

Es erfolgte eine digitale Umfrage bei urologischen Ärzt:innen in Deutschland über das Portal SurveyMonkey©, welche über den Email-Verteiler der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und des Berufsverbandes der Deutschen Urologen e.V. (BvDU) an alle eingetragenen Mitglieder verschickt wurde. Es wurden Basisdaten im ambulanten und stationären Sektor erhoben, so wie geschlechtsspezifische Daten in Bezug auf Arbeitsplatzverteilung, Ziele, Zufriedenheit und Gründe für berufliche Entscheidungen.

 

Die Befragung umfasste insgesamt 47 Fragen, wobei 32 Fragen für alle Teilnehmer geeignet waren und 15 Fragen nur für Kolleg:innen in der Niederlassung konzipiert wurden.

 

Neben Basisfragen zu Geschlecht, Alter, Bundesland, dem aktuellen beruflichen Status, dem akademischen Grad wurden auch Arbeitszeitmodelle, Spezialisierungen, Arbeitsklima, Genderverteilung, und die Zufriedenheit in diesen Bereichen abgefragt.

Der Fokus wurde auf geschlechterspezifische Unterschiede in der Spezialisierung, bei Aufstiegschancen, bei der erfahrenen Wertschätzung und Beförderung gelegt.

Für die niedergelassenen Kolleg:innen wurden u.a. der Grund der Niederlassung, spezielle Arbeitszeitmodelle, Spezialsprechstunden, genderspezifische Ungleichbehandlung, Einkommensunterschiede und die Zufriedenheit der Praxistätigkeit abgefragt.

 

In der Umfrage gaben Frauen auf die Frage nach ihrem aktuellen beruflichen Status seltener als ihre männlichen Kollegen einen Oberarztstatus (15.7 % vs. 17.2 %) oder einen Chefarztstatus (1.6 % vs. 13.5 %) an. 49.4 % der Männer gaben an, Praxisinhaber oder Praxisteilhaber zu sein, bei den Frauen lag der Prozentsatz mit 29.9 % deutlich niedriger.

 

Dagegen wurde der Wunsch nach einer Führungsposition häufiger von Frauen geäußert:

Die Frage nach dem angestrebten beruflichen Status wurde von 9.4 % der Männer mit „Oberarzt“ beantwortet, während 29.1 % der Frauen eine Position als Oberärztin anstreben. 7.9 % Männer und 5.5 % Frauen streben eine Position als Chef:ärztin an. Die Selbstständigkeit als Praxisinhaber:in oder -teilhaber:in wurde von 28.1 % Männern und 22.8 % Frauen als angestrebter beruflicher Status angegeben.

 

Auf die Frage, warum sie in ihrem aktuellen Sektor tätig sind, war im Gesamtkollektiv „Gelegenheit“ die häufigste Antwort. Sucht man nach dem Grund für die eigene Niederlassung, so war dieser bei Männern eher ihrem persönlichen Wunsch entsprechend: Bei den Männern lagen „Gelegenheit“ und „Berufswunsch“ als häufigste Gründe für die Niederlassung mit je 19.6 % gleichauf. Die häufigsten Gründe für die Niederlassung bei Frauen hingegen waren äußere Umstände wie die „familiären Situation“ (17,6%) und die „geringere Arbeitsbelastung/keine Dienste“ für die Niederlassung (16,2%).(3)

 

Mögliche Aufstiegschancen wurden bei Frauen und Männern signifikant unterschiedlich wahrgenommen. Während 82.5 % der Männer gleiche Aufstiegschancen für ihre weiblichen Kollegen sehen, wird dies nur von 40.3 % der Frauen so wahrgenommen. 73.3% der Frauen sehen ihr Geschlecht als Ursache für geringere Aufstiegsmöglichkeiten an.

 

In der vorliegenden Umfrage bestand sowohl bei Urologinnen als auch bei Urologen eine prinzipiell sehr hohe Zufriedenheit im Beruf. „Sehr zufrieden“ oder „eher zufrieden“ mit ihrem akademischen Grad sind 90 % der Frauen und 94 % der Männer. Mit ihrem Arbeitszeitmodell sind 84 % der Frauen und 86 % der Männer zufrieden. 91 % der Frauen und 93 % der Männer sind mit ihrem aktuellen Sektor zufrieden. Dahingegen unterschied sich die Zufriedenheit mit dem beruflichen Status bei Männern und Frauen statistisch signifikant (92 % vs. 84 %).

Die Entwicklung des Arbeitsklimas in den letzten 5 Jahren wird von Frauen ebenfalls signifikant als weniger gut wahrgenommen als von ihren männlichen Kollegen (74 % vs. 90). Außerdem fühlen sich Frauen für Ihre Arbeitsleistung auch signifikant weniger wertgeschätzt, als das bei Männern der Fall war (66 % vs. 86%).(3)

 

Welche Erkenntnisse kann man aus diesen Ergebnissen formulieren?

Urologinnen und Urologen sind überwiegend zufrieden mit der Wahl ihres Fachgebietes.

Männer haben doppelt so häufig wie Frauen den Wunsch nach einer eigenen Praxis. Dieser Trend wird durch die Daten der Ärztestatistik der Bundesärztekammer (BÄK) untermauert.

Männer sind häufiger als Vertragsärzte niedergelassen und Frauen häufiger in der Klinik angestellt.

Frauen streben häufiger als Männer eine Führungsposition an, sind aber gleichzeitig eher bereit, wegen der familiären Situation oder äußeren Umständen, darauf zu verzichten.

Frauen fühlen sich im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen weniger wertgeschätzt und glauben, durch ihr Geschlecht in Aufstiegsmöglichkeiten benachteiligt zu sein.(3)

 

52 % der Frauen und 32.2 % der Männer äußerten einen Teilzeit-Wunsch. In einer 30 Jahre zurückliegenden Befragung lag der Anteil der Männer, die sich eine Teilzeit-Arbeit wünschten, noch deutlich niedriger (19%) (10). Dies spiegelt einmal mehr den Generationenwandel wider: Bei den Generationen Y und Z findet ein Umdenken mit dem Wunsch weg von kompletter Aufopferung im Beruf hin zu besserer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben statt.(3)

 

Kommen wir generell auf die Frauen in ihrem beruflichen Umfeld zurück:

Externe strukturelle, gesellschaftliche Faktoren stehen intrinsischen, weiblichen Motivations- und Lebenszielen entgegen.

Das bedeutet, es ist eine Optimierung der externen strukturellen Faktoren notwendig: Kinderbetreuung in der Ganztages-Kita, eine flexible Tagesmutter, oder Großeltern, die geduldig einspringen.

Dem stehen jedoch häufig sogenannte „soft facts“ entgegen:

Aufgabenverteiltung innerhalb von Familienverbänden (Angehörigenversorgung, Haushalt, Organisation des Soziallebens, Taxi-Mama)

Die Frauen befinden sich damit generell im emotionalen Spannungsfeld zwischen Familie-Haushalt und Beruf.

Die wenigsten Frauen sind allerdings in der Lage hier eine Entweder-oder Entscheidung zu treffen. So fanden Shollen et.al. 2009, dass nur 51% der Frauen einen strukturierten Karriereplan hatten, demgegenüber aber 73% der Männer (4,5,6,7,8).

 

Wie steht es mit der Rolle der jungen Ärztin in der Partnerschaft?

Nur 5,7% der Frauen stufen ihre eigene Karriere wichtiger als die ihres Partners oder ihrer Partnerin ein.

31,4% stufen sie weniger wichtig ein, wenn der Partner Akademiker ist und 51,8% empfinden ihre Karriere als weniger wichtig, wenn der Partner einen Arztberuf ausübt.(9)

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass dem Wunsch Urologin und Mutter sowie Urologe und Vater zu sein und gleichzeitig Karriere- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten verfolgen zu können derzeit noch viele strukturelle und gesellschaftliche Hindernisse im Wege stehen.

Teilzeitmodelle, Arbeitsplatzteilung, Elternzeit sind nur einige Schlagworte.

Falls hier geschlechterunabhängige Arbeitsbedingungen geschaffen werden und diese Wege ohne berufliche Nachteile sowohl von Frauen als auch von Männern gegangen werden können, wäre das ein Konzept, welches viele Probleme aus der Welt schaffen würde.

 

Grundvoraussetzung ist allerdings die Akzeptanz des Arbeitgebers, der Klinikleitung und vor allem auch der Kollegen.

 

In einigen nordischen Ländern ist bei Mitarbeitern mit Kindern für beide Elternteile anteilig die Elternzeit obligat, andernfalls kann sich das negativ auf die Karriere auswirken.

Dies ist ein gutes Signal und es ist an der Zeit, auch in Deutschland gesellschaftlich neue Wege zu gehen und vielen jungen Kolleg:innen wäre damit die Möglichkeit zu einer vernünftigen Vereinbarung von Beruf und Familie gegeben.