Viel hilft viel?

Intensivierte Neoadjuvanz beim

lokalisierten Hoch-Risiko-PCa

 

Bei Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom (PCa) haben ungefähr 15 % ein erhöhtes Rezidiv-Risiko und viele Patienten entwickeln ein Rezidiv mit einer Krebs-spezifischen Mortalität von mehr als 30 % nach 15 Jahren. Aus diesem Grund werden für diese Patientengruppe neue multimodale Behandlungsstrategien dringend benötigt. Jetzt wollten Rana R. McKay et al. (San Diego, USA) in einer gepoolten Analyse aus drei aktuellen Phase-II-Studien – mit Patienten, die ein lokalisiertes Hochrisiko-PCa aufwiesen – herausfinden, wie sich eine intensivierte neoadjuvante Hormontherapie (NHT), bestehend aus einer Hormontherapie der nächsten Generation – kombiniert mit LHRH-Agonisten auf die klinischen Ergebnisse nach der radikalen Prostatektomie (RP) auswirkt.

 

Summary

 

Insgesamt wurden 117 PCa-Patienten (63 % der Studienpopulation) in die gepoolte Analyse aus drei prospektiven, randomisierten, multizentrischen, klinischen Phase-II-Studien einbezogen – davon 78,6 % (92) mit einer Hochrisikoerkrankung. Die Patienten hatten alle vor der RP eine intensivierte NHT erhalten, bestehend aus einer Hormontherapie der nächsten Generation – kombiniert mit einem Luteinisierendes-Hormon-Releasing-Hormon (LHRH)-Agonisten. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum biochemischen Rezidiv (BCR); definiert als die Zeit von der RP bis zur Messung eines PSA-Wertes >0,1 ng/ml oder dem Beginn der ersten postoperativen Therapie, und stratifiziert gemäß pathologischem Ansprechen auf Basis der Gewebeuntersuchung des Prostatektomiepräparats zum Zeitpunkt der OP (Vorhandensein oder Nichtvorhandenseins eines außerordentlichen pathologischen Ansprechens, definiert als Residualtumor von 0-5 mm). Nach der neoadjuvanten Therapie zeigten 21,4 % der Patienten (25) einen Residualtumor (0-5 mm), darunter waren 9,4 % (11) mit einem pathologisch vollständigen Ansprechen (pCR). Bei insgesamt 49 Patienten (41,9 %) trat ein biochemisches Rezidiv (BCR) auf – 59,1 % (95 % KI 49,0-67,9) waren nach drei Jahren ohne BCR. Von den 25 Patienten mit einem außerordentlichen pathologischen Ansprechen entwickelten lediglich 2 Patienten (8,0 %) ein BCR, während dies bei den Non-Respondern bei rund jedem zweiten Patienten der Fall war (47/92; 51,1 %). Bei einem Großteil der Patienten erholte sich der Testosteronspiegel (106/113; 93,8 %). Ein Verlust des Tumorsuppressorgens PTEN ("Phosphatase and Tensin Homolog") und ein intraduktales Karzinom (IDC) waren mit einer kürzeren Zeit bis zum BCR assoziiert.

 

Details

 

Rationale und Methodik

 

Beim lokalisierten PCa haben viele Patienten eine persistierende residuale Erkrankung, und das, obwohl sie eine Behandlung erhalten. Aktuell fehlen multimodale Therapieansätze. Einer der Leitsätze der neoadjuvanten onkologischen Therapie ist, dass das pathologische Ansprechen mit dem Langzeitüberleben korreliert. Nun haben Rana R. McKay et al. (San Diego, USA) eine gepoolte Analyse aus drei aktuellen prospektiven, randomisierten, multizentrischen, klinischen Phase-II-Studien bei Patienten durchgeführt, von denen die meisten ein lokalisiertes Hochrisiko-PCa aufwiesen. In allen drei Studien hatten die Patienten zunächst eine intensivierte NHT erhalten (Tabelle 1) und im Anschluss daran eine RP mit pelviner Lymphknotendissektion – die Patienten bekamen die Therapie bis zum Tag vor der Operation. Mit der gepoolten Analyse wollten die Autoren herausfinden, wie sich die intensivierte NHT auf die klinischen Ergebnisse nach der RP auswirkt.

 

Studie  

N, Patienten 

Studien-Arme 

Dauer der neoadjuvanten Therapie  

Neo-Abi (NCT00924469) 

 

58 

1: 12 Wochen (Wo) Abirateron (Abi) /24 Wo LHRH-Agonist 

2: 24 Wo Abi /24 Wo LHRH-Agonist (1:1) 

24 Wo 

Neo-Enza (NCT01547299) 

 

52 

1: Enzalutamid (Enza) 

2: Enza + Leuprorelin + Dutasterid (1:1) 

6 Monate 

Neo-Abi/Enza 

(NCT02268175) 

 

75 

1: Enza + Leuprorelin + Abi + Prednison  

2: Enza + Leuprorelin (2:1) 

24 Wo 

Tabelle 1: Wichtige Parameter der drei Studien, die in die gepoolte Analyse von McKay et al. einflossen.  

 

Primärer Endpunkt der gepoolten Analyse war die Zeit bis zum BCR, definiert als die Zeit nach der RP bis zur Messung eines PSA-Wertes >0,1 ng/ml oder dem Beginn der ersten Therapie, stratifiziert nach dem pathologischen Ansprechen zum Zeitpunkt der OP (Vorhandensein oder Nichtvorhandenseins eines außerordentlichen pathologischen Ansprechens, definiert als Residualtumor bei RP von 0-5 mm). Zu den sekundären Endpunkten gehörten das Metastasen-freie Überleben (MFS), das Gesamtüberleben (OS) und die Zeit bis zur Testosteron-Erholung.

 

Ergebnisse

 

Ausgangscharakteristika

Insgesamt wurden 117 Patienten in die gepoolte Analyse eingeschlossen (63 % der Studienpopulation). Der mittlere PSA-Wert bei Studienbeginn betrug 7,1 ng/ml (Interquartilsabstand, IQR 4,7-13,9 ng/ml). 52 Patienten (44,4 %) wiesen einen Gleason Score von 9-10 auf. Ein Großteil hatte eine Hochrisikoerkrankung (gemäß den Kriterien des National Comprehensive Cancer Networks (92, 78,6 %), die anderen 25 Patienten (21,4 %) zeigten ein ungünstiges intermediäres Risiko.

 

Pathologische Ergebnisse auf Basis der RP

Die Mehrzahl der Patienten wies eine pT3-Erkrankung auf (64, 54,7%). Bei 14 (12,0%) waren die Lymphknoten befallen. 12,8 % (15) hatten positive Schnittränder. Bei rund jedem fünften Patienten (25; 21,4%) zeigte sich ein außerordentliches pathologisches Ansprechen: Bei 9,4% (11) lag ein pCR vor und 12,0% (14) wiesen eine minimale Resterkrankung (MRD) auf. Die mediane Residualtumorlast (RCB) betrug 0,05 cm3 (IQR 0,01-0,42). Ein ICD wurde bei 40,4% der Patienten (21/52) entdeckt. Bei den Patienten mit Residualtumor zeigten 49,3 % einen Verlust des Tumorsuppressorgens PTEN (37/75) und 45,6 % (36/79) eine ERG-Positivität.

 

Biochemisches Versagen, Metastasen-freies Überleben und Gesamtüberleben

Insgesamt wurden die Patienten nach der RP im Median 3,6 Jahre (IQR 2,9-4,6, Range: 0,1-9,3) nachbeobachtet. Bei 49 Patienten (41,9 %) trat ein BCR auf: Davon bekamen 22 eine ADT und/oder Strahlen-Therapie (RT) nach der RP, bevor der PSA-Wert auf >0,1 ng/ml anstieg; bei 27 erfolgte die Therapie bei einem PSA-Wert >0,1 ng/ml. Alle Patienten mit einem PSA-Wert >0,1 ng/ml erhielten eine ADT und/oder RT nach RP – darunter 25, die innerhalb von 6 Monaten nach einem PSA-Anstieg >0,1 ng/ml behandelt wurden. Nach 3 Jahren waren 59,1 % (95 % KI 49,0-67,9) ohne biochemisches Rezidiv. Mit Blick auf das MFS zeigte sich: 15 Patienten (12,8 %) hatten Metastasen entwickelt und 87,8 % waren nach 5 Jahren ohne Metastasen (95 % KI 76,4-93,9). Von den insgesamt 5 Todesfällen konnten 3 auf das PCa zurückgeführt werden.

 

Bei den 25 Patienten mit einem außerordentlichen pathologischen Ansprechen wurde bei 2 Patienten mit MRD (8%) ein BCR beobachtet bei einer 3-Jahres-BCR-freien Überlebensrate von 95,2 % (95 % KI 70,7-99,3). Die beiden Patienten mit BCR sind nach einer Salvage-RT/ADT weiterhin in Remission. Bei den 92 Patienten ohne außerordentliches pathologisches Ansprechen zeigte rund jeder zweite (47, 51,1 %) ein BCR bei einer 3-Jahres-BCR-freien Rate von 48,7 % (95 % KI 37,5-59,1). Andere pathologische Parameter wie zunehmendes RCB-Terzil, Resttumorvolumen und Länge der RP-Zielläsion waren mit einer Abnahme der 3-Jahres-BCR-freien Rate assoziiert.

 

Bemerkenswert war, dass einer der Patienten mit einem außerordentlichen pathologischen Ansprechen Metastasen entwickelte. Dagegen wurden bei 17 Patienten (18,5 %) ohne außerordentliches pathologisches Ansprechen Metastasen festgestellt; das 5-Jahres-MFS betrug 84,9 % (95 % KI 71,3-92,4). Alle Todesfälle traten bei Non-Respondern auf.

 

Die Ergebnisse gemäß PTEN, ERG und IDC-Status

PTEN-Verlust (p=0,012), ERG-Positivität (p=0,022) und IDC (p=0,001) waren mit dem Fehlen eines außerordentlichen pathologischen Ansprechens assoziiert. Nach 3 Jahren waren mehr Patienten mit reduziertem/intaktem PTEN ohne BCR im Vergleich zu denjenigen mit PTEN-Verlust (67,3% vs. 35,8%; Log-Rank-Test, p=0,008). Ein entsprechendes Ergebnis wurde auch bei Patienten ohne versus mit IDC (70,4 % vs. 27,6 % Log-Rank-Test, p=0,004) beobachtet.

 

Erholung der Testosteronspiegel

Nach der RP waren Testosterondaten von 113 Patienten verfügbar – bei einem Großteil (106, 93,8 %) erreichte der postoperative Testosteronspiegel nach einer medianen Zeit von 0,34 Jahren (95% KI 0,32-0,40) erstmalig das zuvor definierte Niveau >200 ng/dl. Nach zwei Jahren lag die kumulative Testosteron-Erholungsrate bei 92,7 % (95 % KI 85,6-96,1), nach 3 Jahren bei 95,9 % (95 % KI 90,2-98,8). Zudem wurde bei nahezu allen Patienten mit einem außerordentlichen Ansprechen eine Testosteron-Erholung festgestellt (24/25 96 %). Von den 106 Patienten mit Testosteron-Erholung zeigten 46 (43,4 %) ein BCR und 58,2 % (95% KI 47,8-67,3) waren nach drei Jahren ohne biochemisches Rezidiv.

 

Diskussion

 

Um den klinischen Nutzen der NHT nachzuvollziehen, werden randomisierte kontrollierte Studien benötigt. Die randomisierte, doppelt-verblindete Phase-III-Studie (PROTEUS) untersucht die perioperative Behandlung mit dem Androgenrezeptorblocker Apalutamid bei Patienten mit lokal begrenztem Hochrisiko-PCa (NCT03767244). Die Ergebnisse der Studie mit den beiden primären Endpunkten pCR und MFS könnten, so McKay et al., das Behandlungsparadigma beim lokalisierten Hochrisiko-PCa verändern und das pCR als intermediären pathologischen Endpunkt für das MFS definieren. Zudem könne eine pathologische Beurteilung im Rahmen dieser Studien dabei unterstützen, rational konzipierte Biomarker-Studien für Patienten mit lokalisiertem PCa durchzuführen.

 

Fazit

 

Diese gepoolte Analyse von drei prospektiven Phase-II-Studien zeigte ein außerordentliches pathologisches Ansprechen nach einer intensivierten NHT mit einem positiven Effekt auf das BCR-freie Überleben nach der RP. Ein Verlust des Tumorsuppressorgens PTEN und ein intraduktales Karzinom waren mit einem BCR assoziiert. Weitere Nachuntersuchungen sind erforderlich, um die Auswirkungen auf die langfristigen Ergebnisse zu bewerten.