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Welche nmHSPC-Patienten brauchen eine Knochendichte-Messung?

 

Osteoporose ist bei Patienten mit Prostatakarzinom (PCa) – die eine Androgendeprivationstherapie (ADT) erhalten – ein häufig beobachtetes unerwünschtes Ereignis (UE). Kanade Hagiwara et al. (Tokio, Japan) untersuchten nun in einer retrospektiven Studie anhand von 106 Patienten, die mit einer ADT behandelt wurden, und bei denen keine Knochenläsionen zu Beginn der ADT und keine Kastrationsresistenz vorlag, welche klinisch-pathologischen Parameter mit einer veränderten Knochendichte (bone mineral density, BMD) und einer Osteoporose assoziiert sind. Auf diese Weise könnten, so der Gedanke der Studienautoren, entsprechend gefährdete Patienten zunächst identifiziert und daraufhin einer Doppelröntgen-Absorptiometrie (DEXA)-Messung zugeführt werden.

 

Summary

 

Kanade Hagiwara et al. (Tokio, Japan) werteten in einer retrospektiven Analyse die Ergebnisse der DEXA-Messungen von 106 PCa-Patienten mit ADT (bei denen zu Beginn der ADT keine Knochenmetastasen vorlagen und die keine Kastrationsresistenz aufwiesen) aus. Bei den Patienten war mittels DEXA-Messung die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkelhals erfasst worden. Zum Zeitpunkt der DEXA-Untersuchung befanden sich die Serumwerte des prostataspezifischen Antigens (PSA) stabil auf niedrigem Niveau.

 

Insgesamt lag bei 36 (34 %) Patienten lag eine Osteoporose vor. Die Inzidenz der Osteoporose nahm dabei in Abhängigkeit von der ADT-Dauer schrittweise zu. Signifikant mit einer Osteoporose assoziiert waren als unabhängige Variablen ein höherer Wert der alkalischen Phosphatase (ALP), eine längere ADT-Dauer sowie ein niedrigerer Body-Mass-Index (BMI). Zudem zeigte sich, dass die Inzidenz der Osteoporose mit einer Stratifizierung der ALP-Serumwerte zusammenhängt: So waren 11 von 50 (22 %) Patienten mit ALP-Werten <238 U/l, 14 von 35 (40 %) mit einem ALP-Wert von 238-322 U/l und 11 von 20 Patienten (55 %) mit einem ALP-Wert >322 U/l osteoporotisch (p=0,022).

 

Abb 2 Text 1

 

Details

 

Rationale

 

Rund 9-53 % der PCa-Patienten, die eine ADT erhalten, entwickeln während dieser Therapie eine Osteoporose. Aus diesem Grund empfehlen sowohl aktuelle Leitlinien (kurz vor oder bei Beginn einer Langzeit-ADT) als auch Expertengremien (alle 12-24 Monate, während der ADT) bei dieser Patientengruppe die Knochendichte anhand einer DEXA-Messung zu überprüfen – dem Goldstandard zur Erfassung der BMD und der Diagnose einer Osteoporose.

 

Allerdings zeichnet der Praxisalltag ein anderes Bild. Denn: Standard-BMD-Tests werden bei ADT-Patienten nur unzureichend eingesetzt; die Patienten somit nicht ausreichend auf ein mögliches Osteoporose-Risiko hin untersucht. Eine Strategie könnte sein, Risikopatienten anhand von leicht zu erfassenden Parametern, die mit einem erhöhten Osteoporose-Risiko assoziiert sind, im Vorfeld zu identifizieren. Auf diese Weise könnten Patienten mit hohem Osteoporose-Risiko gezielt gefunden und anschließend einer BMD-Messung unterzogen werden. Kanade Hagiwara et al. (Tokio, Japan) gingen jetzt in einer retrospektiven Studie dieser Fragestellung nach.

 

Studienpopulation und Methodik

 

Die retrospektive Querschnittsstudie von Kanade Hagiwara et al. schloss 106-PCa-Patienten mit ADT ein, die sich zwischen 2017 und 2020 in der Teikyo University School of Medicine, Itabashi-ku, Tokyo, Japan (der Institution der Studienautoren) einer BMD-Untersuchung unterzogen hatten. Zuvor ausgeschlossen wurden Patienten mit Knochenmetastasen bei Beginn der ADT und einem kastrationsresistenten PCa. Zum Zeitpunkt der DEXA-Untersuchung befanden sich die PSA-Serumwerte stabil auf niedrigem Niveau. Die Knochenmineraldichte war an der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkelhals mittels DEXA erfasst worden. Eine Osteoporose wurde definiert als Knochenmineraldichte, die entweder -2,5 Standardabweichungen (SD; T-Score) oder 70 % des Mittelwerts von jungen Erwachsenen (Young Adult Mean, YAM) entspricht oder darunter liegt, und zwar entweder an der Lendenwirbelsäule oder am Oberschenkelhals.1 Eine Osteopenie (Minderung der Knochendichte, die geringer ausgeprägt ist als bei einer Osteoporose) bestand entsprechend bei einer BMD ≤-1,0 SD aber >-2,5 SD. Die Arbeitsgruppe interessierte der Zusammenhang zwischen klinisch-pathologischen Variablen (unter anderem PSA-Wert bei Diagnose, Serum-ALP-Wert, Gleason-Score, Tumor-Stadium, BMI, Komorbiditäten, 1CTP) und der Knochenmineraldichte oder der Diagnose von Osteoporose. Die ALP-Messung erfolgte nach der Standardmethode der Japanischen Gesellschaft für Klinische Chemie – die einen Grenzwert von 322 U/l vorgab.

 

Ergebnisse

 

Die Patienten waren im Median 76 Jahre alt (Interquartilsbereich, IQR 71-80) und erhielten im Median über 16,0 Monate (Bereich 0-154,5) eine ADT. Die Laborwerte Serum-BAP (knochenspezifische, bonespecific AP), Pyridinolin-quervernetztes carboxyterminales Telopeptid Typ-I-Kollagen (1CTP) und im Urin quervernetztes Typ-I-Kollagen N-Telopeptid (Urin NTx) lagen nur bei 73 bzw. 72 bzw. 68 Patienten vor.

 

27 (25 %) der Patienten wurden als normal und 43 (41 %) als osteopenisch eingestuft. 36 (34 %) hatten eine Osteoporose: Die meisten Osteoporose-Diagnosen erfolgten anhand der BMD-Messung am Oberschenkelhals. 28 Patienten hatten eine Osteoporose ausschließlich am Oberschenkelhals. Bei 2 Patienten war lediglich die Lendenwirbelsäule osteoporotisch und bei 6 sowohl der Oberschenkelhals auch die Lendenwirbelsäule. Die Inzidenz der Osteoporose stieg schrittweise in Abhängigkeit von der ADT-Dauer (Abbildung 1)

 

Abb 1 Text 1

Bei den 25 Patienten, die sich direkt zu Beginn der ADT einer DEXA-Messung unterzogen hatten, zeigten 3 (12 %; Abbildung 1) eine Osteoporose und 12 (48 %) eine Osteopenie.

 

Die Assoziation der BMD mit den klinischen Variablen

BMI und Serum-1CTP-Wert waren signifikant mit der BMD an der Lendenwirbelsäule assoziiert, während lediglich der BMI mit der BMD des Oberschenkelhalses im Zusammenhang stand. Es fiel auf, dass sich die PCa-Patienten mit Osteoporose deutlich länger einer ADT unterzogen – zudem waren BMI und Serum-1CTP-Wert niedriger, während der Serum ALP-Wert höher war, wobei die statistische Signifikanz nur knapp erreicht wurde.

 

Die Ergebnisse der multivariaten Analyse

Eine längere ADT-Dauer, ein niedriger BMI und ein höherer ALP-Serumwert erwiesen sich als voneinander unabhängige mit einer Osteoporose-Diagnose assoziierte Variablen [ADT-Dauer in Monaten, Odds Ratio (OR) 1,017, p=0,006; BMI in kg/m2, OR 0,801, p=0,005; ALP-Wert in U/l, OR 1,007, p=0,014;).

 

Die Inzidenz von Osteoporose (und Osteopenie) im Zusammenhang mit dem Serum-ALP-Wert

Die Receiver Operating Characteristic (ROC) nutzt 238 U/l als Grenzwert der Serum-ALP für die Diagnostik einer Osteoporose – während der obere Normal-Wert gemäß der Japanischen Gesellschaft für Klinische Chemie bei 322 U/l liegt. Daher teilte die Arbeitsgruppe die Patienten auf Basis dieser beiden ALP-Grenzwerte in drei Gruppen auf: Serum-ALP-Wert: <238 U/l vs. 238-322 U/l vs. >322 U/l. Die Osteoporose-Inzidenz lag in Bezug auf Oberschenkelhals/Lendenwirbelsäule entsprechend bei 11 von 50 (22 %) vs. 14 von 35 (40 %) vs. 11 von 20 (55 %) bei den Patienten mit Serum-ALP-Werten von <238 U/l vs. 238-322 U/l vs. >322 U/l (p=0,022). Wurden lediglich die DEXA-Daten der Lendenwirbelsäule betrachtet, zeigte sich bei allen drei ALP-Kategorien eine relativ gut erhaltene BMD. Dagegen war die Diagnose einer Osteoporose beim Oberschenkelhals mit den stratifizierten ALP-Werten assoziiert. Abbildung 2 zeigt die Inzidenz von Osteoporose und Osteopenie sowohl in der Lendenwirbelsäule als auch im Oberschenkelhals sowie in diesen beiden Bereichen alleine, stratifiziert nach ALP-Werten.

 

Hier geht es zu Abbildung 2.

 

Da BAP eines der Isoenzyme von ALP ist, wurden die ALP- und BAP-Serumwerte bei den 72 Patienten verglichen, für die beide Werte vorlagen. Beide Werte waren signifikant miteinander assoziiert (R2=0,506, p< 0,001).

 

Fazit

 

Wie diese Studie zeigte, erhöht sich die Inzidenz von Osteoporose bei nmHSPC-Patienten mit ADT in Abhängigkeit von der Dauer der ADT. Hagiwara et al. betonen zudem, dass gemäß ihrem Kenntnisstand ihre Studie die erste Arbeit darstellt, in der ein höherer ALP-Serumwert als signifikanter Indikator für die Diagnose einer Osteoporose bei dieser Patientengruppe identifiziert wurde.

 

Die Studienautoren empfehlen daher Urologinnen und Urologen bei allen mit einer ADT behandelten Patienten, die BMD zu bestimmen – insbesondere bei einem niedrigeren BMI und höheren Serum-ALP-Werten.