Ausschließliche
Fernbehandlung: Die
wichtigsten Fakten
 

Die Telemedizin wird ebenso geschätzt wie kritisch betrachtet. Zukünftig kann sie jedoch eine sinnvolle Ergänzung des Behandlungsangebots darstellen.

 

Eine Gesetzesänderung spaltet die Ärzteschaft

 

Ein Beschluss des 121. Ärztetags in Erfurt hat es im Mai 2018 in praktisch sämtliche Tagesnachrichten geschafft: Die Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung. Was auf den ersten Blick vorsichtig formuliert wirkt, hat das Potenzial, die Digitalisierung im Gesundheitswesen einen großen Schritt voranzubringen. Denn es ist ein klares „Ja“ für den Ausbau der Telemedizin.

 

In § 7 Abs. 4 der geänderten ärztlichen (Muster-)Berufsordnung MBO-Ä heißt es jetzt wörtlich: „Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.

 

Doch was ist ärztlich vertretbar? Darüber ist sich die Deutsche Ärzteschaft offenbar alles andere als einig. So sind die Ärztekammern Brandenburg und Saarland bislang klar gegen eine ausschließliche Fernbehandlung. In Brandenburg begründete man dies im September 2018 mit einem „unkalkulierbaren Risiko für Arzt und Patient“ (Quelle: Ärztezeitung). Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg hingegen verkündet praktisch zeitgleich den landesweiten Ausbau ihres Modellprojekts „docdirekt“, das Kassenpatienten des Landes ermöglicht, sich von einem Tele-Arzt kostenlos beraten zu lassen.

 

Kassen fördern und unterstützen die Fernbehandlung

 

Die technische Infrastruktur für docdirekt stellt der Münchner Anbieter TeleClinic bereit, der seit der Lockerung des ausschließlichen Fernbehandlungsverbots auch über eine eigene Plattform Online-Sprechstunden bei deutschen Ärzten vermittelt. Weil TeleClinic immer mehr Kooperationen mit Krankenversicherungen schließt, erhalten auch immer mehr Patienten in Deutschland Zugang zu einem nationalen Telebehandlungsangebot. Inzwischen bieten einige Krankenkassen sogar eigene Videosprechstunden mit Vertragsärzten an, wie beispielsweise die DAK.

 

Einstiegsmöglichkeiten für Ärzte in die Fernbehandlung

 

Ärztinnen und Ärzte, die Fernbehandlungen durchführen wollen, haben verschiedene Einstiegsmöglichkeiten:

 

Unkompliziert und wirtschaftlich ist es, Fernsprechstunden über einen Anbieter wie TeleClinic abzuhalten. Die Registrierung ist kostenlos, als Bewerber muss man eine ärztliche Approbation vorweisen und eine verifizierte digitale Unterschrift einreichen, wenn eRezepte ausgestellt werden sollen. TeleClinic stellt seinen Partnerärzten dann seine Software zur Verfügung und schult sie in deren Anwendung.

 

Alternativ können Praxen ein eigenes telemedizinisches Angebot kreieren und dazu Lösungen spezialisierter Softwarenanbieter wie beispielsweise Telemedo nutzen. Eine sichere, weil verschlüsselte Kommunikation zwischen Arzt und Patient ermöglicht auch Minxli, hier benötigen Arzt und Patient für eine Online- bzw. Videosprechstunde ein Smartphone, die passende App und jeweils einen Account bei dem Münchner Startup. 

 

Das beliebte Kommunikationsprogramms Skype ist aus Sicherheitsgründen für einen Austausch sensibler Daten nicht geeignet und sollte daher nicht für die Arzt-Patienten-Kommunikation genutzt werden. (Quelle: Universität Gießen)

 

Die Grenzen der Fernbehandlung

 

Grundsätzlich können Ärzte laut geänderter MBO-Ä ihre Patienten jetzt ohne vorherigen persönlichen Kontakt telefonisch oder per Internet beraten und behandeln. Ein besonderes Augenmerk liegt jedoch auf der Formulierung „im Einzelfall erlaubt“. Möglicherweise möchte der Ärztetag damit der Auffassung vorbeugen, Fernbehandlungen könnten den Arzt-Patienten-Kontakt ersetzen und dem Patienten eine gleichwertige und gleichzeitig bequemere Behandlungsmethode bieten.

 

Aufgrund einiger Bedenken von Skeptikern gab es im Rahmen der Neuregelung der MBO-Ä zudem einschränkende Entschließungsanträge – zum Beispiel dazu, dass Fernbehandlungen in bestehende Versorgungsstrukturen eingebunden und im vertragsärztlichen Sektor nur durch Vertragsärzte im Rahmen des Sicherstellungsauftrags durchgeführt werden sollen. Zudem dürfen Ärzte nicht per Telefon oder Videokonferenz krankschreiben, wenn ihnen der Patient bislang unbekannt war. Uneinigkeit besteht weiterhin in der Frage, ob es Ärzten künftig erlaubt sein soll, Verordnungen und Überweisungen online auszustellen. Eine solche Regelung bedarf vermutlich der Zustimmung durch den Gesetzgeber.

(Quelle: medizinanwalt.de)

 

Assistentin entlastet den Landarzt

 

Für den ländlichen Raum, in dem Ärzte knapp sind und für Hausbesuche weite Strecken zurückgelegt werden müssen, können Telemedizin-Modelle eine sinnvolle Ergänzung des Versorgungsangebots sein. Schon vor der Lockerung des Fernbehandlungsgesetzes gab es die Software TeleArzt, die 2018 mit dem Niedersächsischen Gesundheitspreis in der Kategorie „Innovative Lösungen zur Verbesserung der Versorgung und Gesundheitskompetenz“ ausgezeichnet wurde. TeleArzt entlastet Hausärzte, indem mit digitaler Technik ausgestattete nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPA, VerAH) ergänzend Hausbesuche vornehmen. Sie können bei solchen Besuchen beispielsweise ein EKG schreiben, es in Echtzeit an den Arzt schicken und sich bei Bedarf mit ihm zu Schlussfolgerungen für die Therapie austauschen. Auch kann der Arzt per Video zum Hausbesuch hinzugezogen werden und sich so auch direkt mit Assistentin und Patient austauschen. Eine smarte Zwischenlösung zur ausschließlichen Fernbehandlung, bei dem ein persönlicher Kontakt zum Patienten bestehen bleibt.

 

Krebsnachsorge per Video-Chat?

 

Weite Wege müssen oft auch Krebspatienten zurücklegen, um Nachsorgeangebote wahrzunehmen. In Kanada, Norwegen, Australien und in einigen Regionen der USA wird Telemedizin deshalb schon seit mehr als zehn Jahren in der Onkologie eingesetzt. Eine Pilotstudie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) und des Münchener Startups Minxli will herausfinden ob die Krebsnachsorge per Videosprechstunde auch in Deutschland gelingen kann.

 

An der Studie, die im September 2017 gestartet wurde, nehmen 66 Patienten des NCT Heidelberg teil. Es werden drei Bereiche geprüft: Zum einen geht es um die generelle Machbarkeit von Videokontakten – dabei wird erfasst, wie viele Telekontakte tatsächlich erfolgreich abgeschlossen wurden. Des Weiteren wird untersucht, wie viel Zeit Patienten und Ärzte insgesamt in Gespräche investiert haben. Und schließlich wird die Patientenzufriedenheit mit der Smartphone-basierten Videokonferenzanwendung abgefragt.

 

Umgesetzt wird die Studie mithilfe der virtuellen Arztpraxis Minxli, welche die Kommunikation zwischen Arzt und Patient mittels einer App per Video und Chat ermöglicht. Die Studienergebnisse werden in Kürze erwartet.

 

(Quelle: Health & Care Management)